„Wenn der Wald zur Kirche wird“ – Pilgern im (Hoch-) Solling, dem Waldgebiet 2013
- Details
- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 17. Juli 2013 07:07
Tiefgründige und besonders aussagekräftige Stationen am Wegesrand bestimmen den zeitlichen Rhythmus, machen deutlich: „Bitte inne halten“. Ein lichtdurchfluteter idyllischer Platz, von den ältesten Fichten im Solling eingerahmt, nahe der Sandwäsche bei Neuhaus und die „Kleine Wasserstelle“ bei Fohlenplacken kann dabei schon so manch´ schwermütigen Gedanken ebenso aufnehmen wie der wesentlich höher gelegene Steinaltar zwischen Neuhaus und Silberborn. Unweit vom Hochsolling-Aussichtsturm, zwischen Bergwiese und Wald, symbolisiert der, eigens von den hiesigen Kirchengemeinden errichtete, Altar eindrucksvoll die Verbindung zwischen Mensch und christlichem Glauben: „Danke lieber Gott“ steht in vielfacher Botschaft auf dutzenden von kleinen und größeren Steinen. Gemalt von Kinderhand oder geschrieben mit schon zittriger Schrift. Selbst mobile Rad-Wanderer, eilige Mountainbike-Sportler und Geocacher entdecken diesen spirituellen Schatz und machen an dem „Dank-Altar“ eine Rast für Körper und Geist.
Nicht zuletzt diese individuellen Begegnungen mit der Schöpfung, verbunden mit einer artenreichen Naturlandschaft, deren einzigartige Ursprünglichkeit noch vielerorts einen Hauch von Wildnis spüren lässt, macht den „Solling, Waldgebiet des Jahres 2013“ zu jeder Zeit erlebenswert.
Ich persönlich erlebe diesen Wald bewusst seit Kindertagen, war doch mein Vater im Forstamt tätig. Mit den Eltern ging es oft zum Holzschlagen, die Felder und Wiesen am Waldrand wurden von der ganzen Familie bearbeitet. Die Schulwandertage führten uns Kinder ebenfalls quer durch den Solling, und immer wieder entdeckten wir Neues. Langeweile haben wir Kinder nicht gekannt, solange wir draußen sein konnten. Später habe ich meine schönsten Ferienjobs in den hiesigen Forsten machen dürfen, bin spazieren gegangen oder war mit dem Rad und beim Orientierungslauf auf Entdeckungstour. Nach meinen persönlichen Studien- und beruflichen Wanderjahren bin ich wieder in den Solling zurückgekehrt, trotz schwieriger Entwicklungsprognosen in diesem Teil Südniedersachsens. Ich lebe gerne (wieder) in der Region Weserbergland-Solling, kann mir ein „Stadtleben“ kaum noch vorstellen.
Und auch die Kirche hat diese vielfältige Waldlandschaft für sich entdeckt. Denn der Solling liegt mitten auf dem Pilgerweg von Loccum nach Volkenroda. Zahlreiche Pilger sind, besonders in den Sommermonaten, unterwegs und die Gästebücher in den Kirchen am Weg zeugen von tiefgründigen Erfahrungen und Erlebnissen der pilgernden Menschen. „Der kirchliche Raum hat Weite“ bekommen. Mit dieser Entwicklung geht die Kirche auch auf die immer größer werdende Zahl von Menschen zu, die sich bewusst auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machen.
Dabei ist „Pilgern“ ja nichts Neues. In dem bekannten Gedicht „Doktor Wald“ wird die Heilkraft des Waldes für Körper und Geist beschrieben: „Er bringt uns immer wieder auf die Beine, das Seelische ins Gleichgewicht“. So einfach und plausibel, wie der Dichter und Förster Helmut Dagenbach es beschreibt, kann es auch sein. Nur, der einfachste Weg ist so manches Mal der Schwerste! Gut, wenn sich dann eine helfende Hand anbietet und jemand sagt: „Ich gehe mit!“
Dieser Aufgabe haben sich die evangelischen Kirchengemeinden im Hochsolling mit ihren Pilgerangeboten gestellt. Seit einigen Jahren werden daher kurze Etappen im Solling in geistlicher Begleitung angeboten. Die Kirchen in Neuhaus, Fohlenplacken und Silberborn zelebrieren seither „Kirche im Wald“. Die herkömmlichen Kirchenräume werden dabei nicht zurückgelassen, nein, sie erweitern sich nur. Der überaus positive Zuspruch macht den Kirchengemeinden Mut, sich weiterhin der Herausforderung zu stellen, Kirche traditionell und zugleich auf neuen Wegen zu erleben. Seit 2009 wird das zukunftsweisende Pilgerprojekt „ich gehe mit“ der Kirchen im Hochsolling für einen fünfjährigen Zeitraum durch den Innovationsfonds der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gefördert. Dank der finanziellen Unterstützung und mit Hilfe zahlreicher Ehrenamtlicher sind sie auf dem besten Weg, eine Profilgemeinde zu werden: „Ein Stück des Weges liegt hinter dir, ein anderes Stück hast du noch vor dir. Wenn du verweilst, dann nur, um dich zu stärken, nicht aber, um aufzugeben “, um es mit den Worten des Philosophen Aurelius Augustinus vereinfacht zu beschreiben. Zugleich beschreibt Augustinus damit den Eindruck, den der Pilgernde ganz persönlich für sich auf den Pilgerschleifen im Hochsolling mitnimmt. Denn jeder Weg erweist sich als Teil des eigenen Lebensweges. Seele und Körper in Einklang bringen, abschalten vom Alltag, Zeit für sich selbst nehmen, Gottes Schöpfung bewusst annehmen. Gründe genug, um sich einfach auf den Weg zu machen.
Eine solche Gelegenheit bietet sich am Samstag, den 27. Juli! Mit einer Tagespilger-wanderung zum Thema „Es langsam angehen lassen“ soll der Kunst der Langsamkeit Genüge getan werden - einfach die Seele baumeln lassen. „Keiner geht für sich allein“ heißt es dann am 17. August auf einer kürzeren Strecke. Weitere Angebote und Informationen können Sie im Pfarramt Neuhaus unter der Rufnummer 05536-9609655 und auf der Webseite www.ich-gehemit.de bekommen. Gerne können Sie auch den aktuellen Flyer und die Broschüre mit ausführlichen Hinweisen zu allen Pilgerschleifen anfordern. Schreiben Sie einfach eine E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Ob in einer Pilgergruppe, auf dem Mountainbike oder allein, der Solling ist mehr als nur ein Wald, für mich ist er durch die Jahrzehnte zum wegweisenden Lebens-Raum geworden. Übrigens, der Sollingwald liegt direkt vor unseren Toren, wir müssen nur rausgehen. Oder um es mit Zeilen aus dem Gedicht „Doktor Wald“ zu auszudrücken: „Und kaum umfängt mich angenehme Stille, raunt er mir zu: "Nun atme mal tief ein!"
Pilgerangebote im Hochsolling:
- Müßiggang – Samstag, den 27. Juli, von 10 – 17 Uhr
- Psalmenweg – Samstag, den 17. August, von 14 – 17 Uhr
- Heimatweg – Dienstag, den 17. September, von 16 – 18 Uhr
- Sehnsuchtsweg – Sonntag, den 29. September, von 14 – 17 Uhr
- Krimiweg – Samstag, den 26. Oktober, von 16 – 19 Uhr
(Text: Heike Beckmann / Fotos: Detlef Konrad)