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Donnerstag, 22. September 2016 13:27 Uhr

Die Folgen der Weserbrücken-Sperrung - und was die Bauüberwachung zur Planung sagt Die Folgen der Weserbrücken-Sperrung - und was die Bauüberwachung zur Planung sagt

Höxter/Boffzen/Lüchtringen (rw). Wer kennt es nicht, das Straßenschild mit der Aufschrift „Zufahrt bis Weserbrücke frei“. Bis mindestens Ende Oktober, eher aber Anfang November, ist dieser Hinweis weiter in der näheren Umgebung von Höxter zu sehen. Wir haben uns nach den ersten eineinhalb Wochen Bauphase mit verschiedenen Unternehmen, Anwohnern und auch den Verantwortlichen unterhalten.

„Bis dato haben wir ein Viertel der Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Wenn die Witterung passt, soll der Verkehr in knapp sechs Wochen wieder rollen“, erklärt Bernhard Tebbe von Straßen.NRW, Außenstelle Paderborn. Täglich ist er vor Ort und beobachtet die Arbeiten. Aktuell ist man damit beschäftigt, den schadhaften Konstruktionsbeton der Fahrbahnoberfläche zu erneuern. Die anderen Brückenschäden könne man noch nicht beheben, da die Statik-Berechnung noch nicht abgeschlossen sei. Die Planungen, ob es sogar eine ganz neue Weserbrücke geben wird, laufen noch. Klar ist: Alles, was schwerer als 3,5 Tonnen und breiter als 2,10 Meter ist, darf diese Strecke auch in Zukunft zunächst nicht befahren.

„50 Prozent weniger Umsatz“

Täglich die Baustelle vor den Augen haben Bernd Pötschke, Inhaber der Tankstelle, und Ruschen Kangal, Besitzer des Restaurants „Salsa“. „Ich habe über 50 Prozent weniger Umsatz“, ärgert sich Pötschke über die Folgen. Mit einer Waschrabatt-Aktion versucht er die Kunden zu locken. 30 Prozent erhält man hier aktuell auf die Preise. Dass die Lkw fehlen, bemerkt er nicht erst seit der kompletten Sperrung. Bereits nach dem Aufstellen der großen Betonklötze fehlen die Brummis. Auch in Zukunft wird es hier keine positiven Nachrichten geben, da die ganzen großen Fahrzeuge nicht den Weg zur Tankstelle an der Weserbrücke suchen. Immerhin werden derzeit unter anderem die beiden Höchstdruckreiniger, die den Beton abtragen, bei ihm befüllt. 25 Liter gehen bei den Arbeiten pro Minute durch. Das sind am Tag pro Maschine 350 bis 400 Liter.

Mit einer deutlich heftigeren Reaktion der Leute hat Ruschen Kangal gerechnet. „Ich habe es mir schlimmer vorgestellt. Wir haben aber auch für dieses Problem eine Lösung gefunden“, sagt der „Salsa“-Besitzer. Zwei Autos stehen direkt vor dem Lokal, zwei weitere Fahrzeuge auf der anderen Weserseite. Seine Mitarbeiter laufen mit den Thermoboxen in der Hand über die Brücke und liefern das Essen an die Kunden von der anderen Weserseite. Und das natürlich noch frisch und warm.

So sieht´s in Boffzen aus

Den Weg über die Weserbrücke müssen auch die Rettungssanitäter machen – zu Fuß! Geparkt wird erst aus Richtung Höxter kommend vor der Weserbrücke. In den anderen Krankenwagen geht es dann bei der Tankstelle. Hier ist das Fahrzeug rund um die Uhr an den Strom angeschlossen, um auf Notfälle vorbereitet zu sein. Und dann geht die Reise oft direkt nach oder durch Boffzen. In dieser Ortschaft gibt’s auch bei einigen Unternehmen Probleme zu verzeichnen. Besonders schwer trifft es das Fashion Outlet „Die Halle“.

Alexander Schmitz, Sohn des Inhabers Klaus Schmitz, vertritt seinen Vater aktuell und berichtet: „Wir merken es schon extrem. Die Kunden aus Höxter kommen im Moment nur selten vorbei. Wir haben bis zu 70 Prozent weniger Besucher hier.“ Mit einem Baustellen-Rabatt in Höhe von zehn Prozent will „Die Halle“ die Menschen nach Boffzen ziehen.

Rabatte gibt’s ein paar Häuser weiter bei Anja Becker nicht. In ihrem Geschäft „Lebensart – Floristik, Deko & mehr“ finden die Kunden aber alles passend und günstig zur aktuellen Jahreszeit. Dazu zählen auch angesagte Kleidungsstücke, die oft schon wenige Tage nach der Ausstellung vergriffen sind. „Wir haben alles nochmal extra anders gestaltet. Jetzt müssen wir einfach abwarten, wie es sich entwickelt. Wir müssen versuchen, mit unseren Artikeln bei den Kunden im Kopf zu bleiben. Unsere stärksten Monate kommen mit dem November und Dezember erst noch“, sagt Becker.

Pflegedienst muss umdenken

In direkter Nachbarschaft befindet sich die Weser-Apotheke sowie der Ambulante Pflegedienst Dormann & Steppat, die schon seit vielen Jahren eng zusammenarbeiten. Frank Dormann verrät im Gespräch mit uns, dass fast die Hälfte seiner Patienten auf der anderen Weserseite lebe. Seine Mitarbeiter müssten aktuell Umwege von 20 bis 25 Minuten einplanen. „Wir versuchen die Termine jetzt mehr hintereinander zu legen, um noch mehr Fahrten zu verhindern. In der Planung müssen wir komplett umdenken“, sagt der Mitinhaber.

Neben deutlich mehr Kilometern und dem damit verbundenen Anstieg im Spritverbrauch erhöhe sich auch die Arbeitszeit. Im Bereich der Podologie und Fußpflege habe es zudem schon Termin-Absagen von Kunden gegeben. Keine ganz so großen Veränderungen verspürt Apothekerin Claudia Malt, bei der bis auf die Lieferung – diese kommt jeden Tag eine halbe Stunde später – alles wie vorher läuft. Die Leute, die sonst den Weg zu einer Apotheke in Höxter gesucht haben, kommen jetzt eher zu ihr. Dafür bleiben die Kunden von der anderen Weserseite aber fast komplett weg.

Weil der Weg in die Samtgemeinde Boffzen oft an der Tankstelle „Cizme“ vorbeiführt, sieht Inhaber Hasan Cizme deutlich mehr Autofahrer, die an den Zapfsäulen anhalten. Etwa ein Drittel mehr Kunden seien es momentan. Hingegen hat Cizme mit einem viel höheren Ansturm auf seine neue Waschanlage gerechnet. „Die steht jetzt erst seit drei Wochen hier und ist mit der neusten Technologie ausgestattet“, sagt er. Eine Premium-Autowäsche sei mit acht Euro im Vergleich zu den anderen Anbietern günstig.

Lärm in Lüchtringen wie in einer Stadt

Springen wir ein Dorf weiter, das auch der Baumaßnahme betroffen ist – Lüchtringen. Tempo 30, rechts vor links und dazu jede Menge Autos. Die Einwohner nervt es. „Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen herrscht deutlich mehr Lärm. Zur Feierabendzeit sind es mindestens doppelt so viele Autos, die durch das Dorf fahren. Viele achten dabei nicht auf die Verkehrsregeln“, berichtet Anwohnerin Ann Jonczyk.

Dass die Geschäftsleute unzufrieden mit der Umleitung sind, ist ausgeschlossen. In Läden wie „Herzstück“ kommt es nicht selten vor, dass auch mal ganz unbekannte Leute die Räumlichkeiten betreten. „Hier war sogar eine Frau aus Einbeck, die eigentlich immer eine andere Strecke zur Arbeit fahren muss“, sagt „Herzstück“-Inhaberin Patricia Risse. Mit einem Event-Tag will sie an diesem Donnerstag noch mehr Menschen anlocken. Von 17 bis 22 Uhr erhalten die Besucher einen großen Einblick in die neuen Herbst-Trends. Zudem gibt’s leckere Köstlichkeiten vom Eiscafé Bruno. Vor der Veranstaltung bleibt der Laden geschlossen.

Apropos geschlossen. Das trifft in diesen Wochen bekanntlich auch auf die Weserbrücke zu. Und dieses Thema wird uns noch eine ganze Weile begleiten.

Fotos: Rene Wenzel

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