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Dienstag, 07. Juni 2016 16:57 Uhr

Mordprozess „Hafen“ - letzter Verhandlungstag vor den Plädoyers - Psychiatrische Anstalt könnte denkbar sein: Der Sachverständige Dr. Michael von der Haar betritt zuletzt den Zeugenstand Mordprozess „Hafen“ - letzter Verhandlungstag vor den Plädoyers - Psychiatrische Anstalt könnte denk

Hildesheim/Holzminden (kp). Dr. Michael von der Haar, Sachverständiger im „Mordprozess Hafen“, betrat vor Beendigung der Beweisaufnahme als letzte Person den Zeugenstand. Michael von der Haar war mehr als 27 Jahre Chefarzt im Maßregelvollzug Bad Rehburg. Seit Anfang dieses Jahres hat er sich selbstständig gemacht, um fortan von dem Erstellen von Gutachten zu leben. Durch sein Gutachten im Fall des Angeklagten Martin sollten sich die letzten wichtigen Fragen beantworten.

Zunächst einmal sei beim Angeklagten von einer deutlichen Alkoholabhängigkeit auszugehen, die sich bei Nüchternheit durch Entzugserscheinungen bis zu Halluzinationen bemerkbar machen können und von der er seit 2011 keinen richtigen Absprung geschafft habe. Bei Alkoholrückfällen kommt es zu erheblich konsumierten Mengen. Für die Tatnacht hatte Dr. Michael von der Haar dem Angeklagten anhand einer wagen Rechnung einen ungefähren Promille-Wert von 2,47 zugeschrieben. „Es ist von einer deutlichen Alkoholisierung auszugehen, auch wenn sein Verhalten nicht auffällig war“, so der Sachverständige.

Die Alkoholabhängigkeit sei hierbei allerdings als Konsequenz weitaus schwerwiegenderer psychischer Erkrankungen zu sehen. Zum einen leide Martin unter einer massiven Persönlichkeitsstörung, die sich bereits sein Leben lang in den verschiedensten Lebensbereichen abgezeichnet hätte: „Der Angeklagte baut sich stets mit sehr viel Energie etwas auf, um es wenig später wieder kaputt zu machen und zu sagen, dass es wieder nicht geklappt hat!“ Seine Lebensstrategie sei hier der Aufbau von etwas Gutem, um es anschließend von anderen Personen torpedieren zu lassen: „Er bringt die anderen dazu, für ihn zu handeln – das ist etwas Selbstdestruktives.“ Dazu kommt, dass Martin viele Gefühle verschließt, die immer wieder depressive Phasen verursachen, so der Zeuge.

Martins Persönlichkeitsstörung würde zudem in Richtung Borderline anzusiedeln sein. Ihm fehle der Blick nach Außen, die Fähigkeit, emphatische Merkmale zu entwickeln. Diese Unfähigkeit würde dazu führen, dass Martin sich vor anderen Menschen verschließt und sich zurückzieht. Nicht unerwähnt blieben auch die Stimmungsschwankungen des Angeklagten, die von jetzt auf gleich in depressive Phasen münden könnten.

Zur Frage der Schuldfähigkeit äußerte sich der Sachverständige, dass er nicht ausschließen könne, dass zur Tatzeit die Grenze zur erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit vorgelegen hat. Es gebe durchaus Affekt- und Impulstaten, die keinen längeren Vorlauf benötigten. Eine völlig aufgehobene Steuerungsfähigkeit des Angeklagten schließt er hingegen aus, weil Martin nach der Tat durchaus Verhaltensweisen gezeigt habe, die ihn von der Tat wegführen sollten. Martin hatte seine verschmutzte Kleidung von der Tatnacht sofort gewaschen, er hatte die Tatwaffe verschwinden lassen und auch nach Veröffentlichung der Phantombilder vor seinem Freund stets behauptet, nichts mit dem Tötungsdelikt zu tun zu haben. Dieses Verhalten spreche nicht für eine völlige Schuldunfähigkeit. Dennoch gebe es erhebliche Beeinträchtigungen, die vor allem auf seine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung zurückzuführen seien.

„Ich weiß nicht, was passiert, wenn wieder so eine Situation entsteht“, sagte Dr. von der Haar und kann auch hier nicht ausschließen, dass Martin unter ähnlichen Umständen wieder so eine Tat begehen könnte. Zum Motiv kann der Sachverständige nur spekulieren. Die Hauptangriffspunkte, die das Opfer aufweist sind allesamt im Mund- und Halsbereich, sodass davon ausgegangen werden könnte, dass Martin Katrin zum Schweigen bringen wollte. Katrin könnte irgendetwas gesagt haben, was den Angeklagten so hat aus der Haut fahren lassen, dass dieser Katrin „mundtot“ machen wollte, wie Dr. Michael von der Haar sich ausdrückte.

Im deutschen Strafgesetzbuch gibt es die Paragraphen 64 und 63, die für die straffällig gewordene Person einen Aufenthalt in einer Klinik vorsehen. Den Paragraphen 64 schließt der Sachverständige aus, da er den Aufenthalt in einer Suchtklinik vorsieht. Die Heilungschancen seien dort zu gering. Eher könne der durch Paragraph 63 vorgesehene Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Betracht gezogen werden. Der Maßregelvollzug kann hierbei durchaus unbefristet sein. Am 14. Juni werden die Plädoyers gehalten. Das Urteil wird am 16. Juni erwartet.

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