„Ich bin Katrin und Du?“ Zweiter Verhandlungstag im Mordfall Hafen
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 18. Mai 2016 20:43
Hatte „Martin“ die Astschere und spätere Mordwaffe bereits im Raabeeck stolz präsentiert und damit eine zweideutige Bewegung in Katrins Richtung gemacht? War er wirklich so betrunken, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne war, wie er am ersten Verhandlungstag angab? Und was war Katrin für ein Mensch? Diese und viele weitere Fragen sollen auch nicht zuletzt darüber Aufschluss geben, ob möglicherweise anstatt Mord sogar nur Totschlag in Betracht kommen könnte, wie der vorsitzende Richter zu Anfang bekanntgab. Die Anklage beruft sich jedoch bislang auf Mord; eine Verurteilung wegen Totschlags könnte für den Angeklagten wesentlich günstiger ausfallen.
Rekonstruktion der letzten Stunden von Katrin
Katrin war schon seit einigen Jahren Mitglied des Dart-Vereins „DC Sharks“, welcher sie „gut aufgenommen“ habe, wie eine Zeugin berichtete. Am 27. Dezember 2015, die Tatnacht, veranstaltete der Verein eine Weihnachtsfeier in einem Lokal in Albaxen: „Die Stimmung war super. Katrin hatte auch mitgefeiert und einiges getrunken.“ Die am Tatabend im Raabeeck arbeitende Kellnerin behauptete später im Zeugenstand, dass Katrin „total besoffen“ gewesen sei, als sie gegen 1:00 Uhr mit einigen Dart-Freunden die Gaststätte betrat, um dort weiter zu feiern. Es soll nicht lange gedauert haben, bis sich Katrin zu Martin an den Tresen setzte: „Ich bin Katrin und Du?“
„Martin, antwortete dann der Angeklagte“, erzählte die im Zeugenstand sitzende Kellnerin dem Richter. „Irgendwann holte er dann so eine Rosenschere aus seiner Tasche. Damit machte er so eine Bewegung auf Katrin zu“, die Zeugin versuchte dem Richter die Bewegung zu imitieren, „Ich fragte ihn, was er denn da machen würde. Katrin reagierte nicht. Dann hat er sie wieder eingesteckt“.
Katrin soll Martin an diesem Abend viel Aufmerksamkeit geschenkt haben. Mehr als eine normale Unterhaltung sei aber niemandem aufgefallen. „Katrin war eine ganz liebe und von vielen nicht verstandene junge Frau“, sagte eine langjährige Freundin aus, „Flirten gab es bei ihr immer wieder“. Dennoch hätte das spätere Opfer stets die Zügel in der Hand gehabt: „Sie machte immer klar- Bis hierhin und nicht weiter!“ Sie soll außerdem immer auf der Suche nach dem Richtigen gewesen sein. Den Weg zur Weser sei sie öfters mit Männern gegangen, die sie teilweise nur flüchtig kannte: „Ich hatte sie immer wieder gefragt, wie sie nur alleine und im Dunkeln mit einem fremden Mann dort langgehen könne. Aber Katrin hatte keine Angst.“
Könnte ihr das nun zum Verhängnis geworden sein? Ein damaliger Gast und späterer Zeuge sagte vor Gericht aus, dass er mit Martin am Tatabend vor dem Raabeeck ein Gespräch geführt hatte. Der Angeklagte hätte auf einmal das Gespräch zu ihm gesucht: „Er wollte unbedingt mit mir vor das Lokal gehen, um sich mit mir zu unterhalten. Das kam mir komisch vor. Wir hätten uns doch auch drinnen unterhalten können!“ Sie verließen dennoch das Lokal. Draußen hätte Martin Andeutungen gemacht, als würde er in Katrin seine zukünftige Liebe sehen. „Er sagte auch, dass er sich ab jetzt um sie kümmern würde“, erklärte er dem Richter. Dann schien das Gespräch immer unangenehmer zu werden: „Er sagte mir immer, dass er psychisch krank ist. Dass er seine Medikamente heute nicht genommen hat und deswegen trinken muss. Er fragte mich auch, ob ich was zum Rauchen hätte.“ Der Zeuge war sich sicher, dass Martin Drogen von ihm wollte. Außerdem belästigte ihn der Angeklagte nach eigenen Angaben mit haufenweise medizinischen Fremdwörtern, deren Bedeutung er nicht kannte: „Als ich mich mit ihm unterhalten hatte, war er noch Herr seiner Sinne, wer noch so viele Fremdwörter klar artikulieren kann… Ich wollte nur schnell wieder rein. Die Situation war mir unheimlich.“
Nach und nach verließen die Dart-Freunde das Raabeeck. Katrin unterhielt sich weiterhin eifrig mit ihrer neuen Bekanntschaft. Gegen 2:30 Uhr machte die Kellnerin einen Schlussstrich. Katrin, Martin und ein älteres Ehepaar mussten als einzige verbliebene Gäste das Lokal verlassen. Kurz bevor einer von Katrins Gaststättenfreunden das Lokal verließ, nahm er sie noch einmal in den Arm: „Der Angeklagte hatte mich dabei komisch angesehen.“ „Pass auf dich auf“, habe er ihr noch zugeflüstert. Dann sind sie gegangen.
Foto: Archiv