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Dienstag, 15. Dezember 2015 07:45 Uhr

Giftige Dioxide und weitere Schadstoffe festgestellt: Wangelnstedter Bürger wehren sich gegen geplante Deponieerweiterung Giftige Dioxide und weitere Schadstoffe festgestellt: Wangelnstedter Bürger wehren sich gegen geplante Deponi


Wangelnstedt/Lüthorst (rus). Mit allen Mitteln wehren sich die Gemeinde Wangelnstedt und ihre Anwohner gegen die Erweiterung der Entsorgungsanlage Lüthorst, in der Aschen und weitere Rückstände steinkohlebefeuerter Industriekraftwerke abgelagert werden. Mit selbst angefertigten Proben, teils sogar unerlaubt auf dem Betriebsgelände gezogen, wurden nun die Bevölkerung und das verantwortliche Unternehmen konfrontiert. Die Ergebnisse sind besorgniserregend, auch das Gesundheitsamt ist alarmiert.

Die Deponie Lüthorst ist ein Endlager, welches hier keiner haben möchte. Offenbar sieht das der Betreiber, die Gesellschaft für die Aufbereitung und Verwertung von Reststoffen mbH, kurz GFR, aber vollkommen anders und will die Erweiterung des Ablagerungsgebietes genehmigen lassen. Dies stößt seit geraumer Zeit in Wangelnstedt und Umgebung für große Gegenwehr, denn seit Jahren müssen insbesondere die Wangelnstedter damit leben, dass Dächer, Terrassen, Gartenmöbel und mehr mit dem Aschestaub überzogen werden. Im Winter soll der Schnee teilweise sogar grauschwarz eingefärbt sein. Für die GFR ist Lüthorst aber nun einmal der wirtschaftlich beste Standort, sie will deshalb auch weiterhin an der geplanten Erweiterung festhalten. Mehr dazu auch an dieser Stelle.


Besorgniserregende Details: Giftige Dioxine gefunden
Nun allerdings wurden Details bekannt, die jene Staubverwehungen noch einmal in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Vorgestellt wurden auf einer Einwohnerversammlung der Gemeinde am gestrigen Montagabend, 14. Dezember 2015, die Ergebnisse von Bodenproben durch Prof. Dr. Manfred Sietz. Sietz wohnt in Wangelnstedt, ist Umweltchemiker und unterrichtet als Hochschullehrer seit 25 Jahren an der Hochschule OWL in Höxter. Die Analysen sollen das Vorhandensein von Schadstoffen bestätigen, darunter Quecksilber sowie an mehreren Stellen sogar giftige Dioxine. Insgesamt sechs Proben wurden genommen, drei direkt auf dem GFR-Betriebsgelände sowie weitere drei auf Äckern nahe Wangelnstedt. Bei der Vorstellung der Analyseergebnisse durch Prof. Dr. Sietz wird deutlich, dass es sich hierbei um eine ernstzunehmende Gesundheitsgefährdung handele. „Ich möchte als Wangelnstedter keine Dioxine einatmen“, sagt Sietz und macht damit auf die aus seiner Sicht besorgniserregenden Ergebnisse fachlich aufmerksam.

Erhebliche Gesundheitsgefährdung der Anwohner
Die Gemeinde selbst spricht von einer „erheblichen Gesundheitsgefährdung“ und will die Belastung der Atemluft durch die Kraftwerksasche nicht länger hinnehmen. „Die Gemeinde Wangelnstedt ist davon überzeugt, dass die GFR mit den Schutzgütern Mensch, Natur und Landschaft fahrlässig umgeht“, sagt Dirk Wollenweber, stellvertretender Bürgermeister und Moderator am Abend. Als Konsequenz fordert die Gemeinde die sofortige Schließung des Deponiebetriebes und Sicherung gegen weitere Auswaschung und Bodenerosion. Weiterhin auch ein intensives Untersuchungsprogramm des Gewerbeaufsichtsamtes, welches weitere Wasser-, Boden- und Feinstaubuntersuchungen beinhalten soll. Auch von Blutproben der Bevölkerung ist die Rede, viele Anwohner zeigten sich angesichts dieser neuen Erkenntnisse fassungslos.

Gesundheitsamt: Dioxine sind keine Bagatelle
Doch allein bei den bereits fundiert erscheinenden Ausführungen durch Prof. Dr. Sietz und Wollenweber sollte es am Abend nicht bleiben. Auch Dr. Klaus Weber vom Gesundheitsamt war gekommen und gab seine Einschätzung klar zu Protokoll: Dioxine sind keine Bagatelle. Sie können sich von Hautausschlägen über Störung des Immun- und Nervensystems bis hin zu hormonellen Schädigungen bemerkbar machen, reichern sich im menschlichen Gewebe an und würden von dort auch nicht mehr verschwinden. Doch bekräftige er auch, sei das Thema Feinstaub noch wissenschaftliches Neuland und längst nicht alle Schadstoffe und ihre Wechselwirkung mit anderen Stoffen ausreichend untersucht. Auch deshalb gebe es für das Vorhandensein derartiger Schadstoffe in der Atemluft noch keinerlei Grenzwerte, anders als etwa für die Belastung der auf der Deponie tätigen Arbeiter. Ein eindeutiges Statement des Gesundheitsamtes: „Wir brauchen keinen Grenzwert, diese Stoffe dürfen einfach nicht in der Luft sein“, so Dr. Weber. Er spricht sich für einen Runden Tisch mit allen Beteiligten aus und dafür, wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Deponiebetreiber und der Bevölkerung zu schaffen.

Vertrauensverhältnis ist stark gestört
Doch genau dieses Vertrauensverhältnis scheint stark gestört, kann doch die GFR selbst die Ängste und Nöte der Anwohner offensichtlich nicht nachvollziehen. Dr. Michael Zingk war für das Unternehmen extra aus Hannover angereist und musste sich den stechenden Fragen der Anwesenden stellen. Für Zingk sichtlich keine leichte Aufgabe, hatte er doch erst kurzfristig überhaupt von der Veranstaltung erfahren. Doch auch trotz sachlicher Erklärungen gelang es ihm nicht, die Vorwürfe abzuschwächen oder den Anwohnern ihre Ängste zu nehmen. Da sorgte die Aussage, „da müssen sie jetzt durch“, kurz vor Schluss auch nicht gerade dafür, dass sich die Wogen alsbald glätten sollen. Dass sich die gefundenen Schadstoffe in einem gesundheitsgefährdenden Bereich aufhalten sollen, wies er vehement zurück. Spielplätze würden schließlich erst beim 100-fachen der in Wangelnstedt gefundenen Werte geschlossen werden müssen, so Dr. Zingk. Ein entsprechendes Untersuchungsprogramm halte die GFR daher für nicht erforderlich, man wolle jedoch alles in ihrer Macht stehende tun, weitere Staubemissionen zu verhindern. Er unterstreicht damit die Bemühungen des Unternehmens seit gut zwei Jahren, zur Vermeidung von Staubverwehungen das Gelände weitestgehend abzudecken.

Dassels Bürgermeister Gerd Melching verfolgte die Veranstaltung ebenfalls und sprach von einer „ziemlichen Zumutung“. In seinem Statement fand auch Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Anders klare Worte an die GFR: „Ich nehme Ihnen nicht ganz ab, dass sie sich dieser Sorgen und Nöte annehmen“. Mit dem Schutzgut Mensch werde zu fahrlässig umgegangen, ist er sich mit vielen am Abend einig. Die Gemeinde Wangelnstedt hat die Analyseergebnisse dem Gewerbeaufsichtsamt zugeleitet und sich bereits Rechtsbeistand geholt. Nun bleibt abzuwarten, wie die Genehmigungsbehörde auf die vorhandenen Proben reagiert. Die GFR zumindest hält an ihrem Vorhaben fest, trotz Gegenwehr und gesundheitlicher Bedenken der Anwohner, die Deponie wie geplant zu erweitern.

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Fotos: rus

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