„Schlaflose Nächte bereiten mir die Abgänge aber nicht.“ – Marc Beineke im Gespräch
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- Kategorie: Sport
- Veröffentlicht: Mittwoch, 08. Januar 2014 18:49
Redaktion: „Hallo Herr Beineke. Schön, dass Sie sich kurz Zeit für ein Interview nehmen. Die Lage beim SV Holzminden wird in den letzten Wochen in den Medien sehr hochgepuscht. Können Sie uns eine aktuelle Wasserstandsmeldung geben?“
Beineke: „Hallo! In den Medien gibt es leider nur schwarz oder weiß. Bei den entsprechenden Personen wird kaum nachgefragt, was dann auch in der öffentlichen Wahrnehmung zu Irritationen führt. Es haben sich aus unterschiedlichen Gründen mit Sagir, Chaabu, Kaufmann, Tuzun und Ziegler fünf Spieler abgemeldet. Ziegler hat noch einmal die Chance, Oberliga zu spielen, so dass ich den Beweggrund schon nachvollziehen kann. Kaufmann, Tuzun und Sagir haben auch privat viel miteinander zu tun und haben sich wohl gegenseitig hochgeschaukelt. Dass alle drei Spieler sagen, dass es Probleme mit mir und dem Vorstand gab, ist Blödsinn. Und wenn ein Spieler innerhalb von zwei Jahren vier Mal den Verein wechselt, liegt es sicherlich nicht immer am bestehenden Umfeld. Aber Selbstkritik liegt vielen Spielern in dem Alter leider fern. Bei Momo Chaabu haben wir aber noch Resthoffnung, dass er bleibt. Mal abwarten. Schlaflose Nächte bereiten mir die Abgänge aber nicht.“
Redaktion: „Aktuell spielt ihr in der Bezirksliga. Wie sind Sie mit dem bisherigen Abschneiden ihrer Mannschaft zufrieden?“
Beineke: „Wenn man betrachtet, dass uns in der Hinserie immer wieder Leistungsträger unterschiedlich lange weggebrochen sind und wir es in 15 Meisterschaftsspielen nicht geschafft haben, auch nur zwei Mal mit derselben Mannschaft zu beginnen, können sich natürlich keine Automatismen bilden. Unter dem Aspekt kann man sicherlich mit dem siebten Tabellenplatz leben – mein Anspruch ist es aber nicht. Uns hat in der kompletten Hinrunde auch lediglich die SG Hameln die Grenzen aufgezeigt, mit allen anderen Teams waren wir zumindest auf Augenhöhe oder besser.“
Redaktion: „Eine Hinrunde mit Höhen und Tiefen. Wer ist für Sie der Aufsteiger im Team? Und wer ist der Pechvogel in der Hinrunde?“
Beineke: „Aufsteiger sind in meinen Augen alle A-Jugendspieler, die bei uns ausgeholfen haben. Sowohl sportlich als auch charakterlich ganz hervorragende Jungs. Auch André Bröhland hat nach einem Jahr Fußballpause aufgrund einer Schambeinentzündung wieder den Anschluss gefunden, was mich sehr freut. Als Pechvogel kann man sicherlich Simon Rybarczick nennen. In den ersten Spielen aufgrund einer Muskelverletzung ausgefallen, war er gerade wieder richtig fit, als er mit Blinddarmentzündung bis zum Winter ausfiel.“
Redaktion: „Der SV Holzminden besitzt eine hervorragende Jugendarbeit, was die A-Jugend beim Weserbergland-Cup in Höxter unter Beweis gestellt hat. Wie schauen eure langfristigen Ziele aus?“
Beineke: „Wir müssen versuchen, alle A-Jugendspieler langfristig zu halten und schon jetzt in der Rückserie weiterhin bei uns einzubauen. Natürlich weiß man auch, dass der ein oder andere studieren geht. Dennoch sollte man den Kontakt aufrechterhalten und sie weiterhin in allen Belangen mit einbeziehen.“
Redaktion: „Jeder macht im Leben Fehler. Bestimmt ist dies auch beim SV Holzminden der Fall. Wo sehen Sie diese Fehler?“
Beineke: „Sicherlich machen auch wir als Entscheidungsträger Fehler und auch die Außendarstellung war nicht immer glücklich. Wir müssen mehr auf die Jugend bauen und uns der Ausbildung junger Spieler verschreiben. Im Ganzen müssen wir demütiger auftreten und uns mehr als Ausbildungsverein sehen. Die Zeiten des großen Geldverdienens sind in Holzminden vorbei. Das muss jedem klar sein. Holzminden leidet natürlich auch darunter, dass man am Stadion kein kleines Vereinsheim hat, wo man nach den Spielen mit den Zuschauern noch mal diskutieren und sich austauschen kann. Wäre dieses gegeben, würde es auch nicht zu so vielen Meinungsverschiedenheiten zwischen Teilen des Publikums und der Mannschaft kommen. Auch da müssen wir nach Lösungen suchen.“
Redaktion: „Ihr wolltet in Holzminden etwas Langfristiges aufbauen. Daher haben Sie einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben. Werden Sie diesen Vertrag erfüllen?“
Beineke: „Mittlerweile denke ich, dass man heutzutage im Amateursport nicht mehr langfristig etwas aufbauen kann. Dafür ist die Fluktuation der Spieler einfach zu hoch. Viele, die das Studium beginnen, kommen und gehen, so dass es immer schwieriger wird, einen gewissen Stamm an Spielern zu haben. Meine Person ist erst einmal völlig unwichtig. Ich habe für zwei Jahre zugesagt und möchte den Vertrag auch erfüllen. Aber was in einem halben Jahr ist, kann doch heute noch keiner sagen. Nur eins ist auch klar: Ich kann den Spielern nicht vorhalten, dass sie ihr Wort zu halten haben und ich bin dann der Erste, der weg ist. Dennoch möchte ich irgendwann auch wieder im Kreis Höxter arbeiten.“
Redaktion: „Einige Spieler, die den Verein verlassen, geben dem Trainer Beineke die Schuld. Wie sehen Sie diese Kritik?“
Beineke: „Wie schon erwähnt, sehe ich das völlig emotionslos. Es gibt in jedem Verein zufriedene und unzufriedene Spieler und es kommt auch immer darauf an, wer Kritik äußert. Hätten wir uns früher solche Sachen erlaubt und über diverse Netzwerke Kritik geäußert, hätten wir bei Spielern wie Micky Wollitz, Ralf Schönwald oder Hans-Jörg Koch kein Bein mehr auf die Erde bekommen – und das auch zu Recht. Aber die heutige Generation ist eben anders. Mir persönlich hat keiner der Spieler ins Gesicht gesagt, was ihm nicht passt. Daher nehme ich die Kritik auch nicht für voll.“
Redaktion: „Spieler wie zum Beispiel Burak Sagir oder auch Pascal Meinert haben in ihrer noch jungen Laufbahn sehr oft die Vereine gewechselt. Ist das nun ein Trend bei den jungen Spielern, dass man bei schwierigen Situationen den leichteren Weg sucht, oder sind es nur Ausnahmen?“
Beineke: „Schauen Sie sich den Weg der Spieler in ihren noch jungen Jahren an und wie lange sie jeweils bei ihren Vereinen waren. Das sagt doch alles aus. Man sollte über diese Spieler auch nicht zu viel sprechen, da sie so wichtig nicht sind.“
Redaktion: „Sie selber haben zur aktiven Fußballerkarriere als junger Spieler bei der Spvg 20 Brakel in der Oberliga gespielt und haben sehr viel gesehen. Wie hat sich der Fußball in dieser Zeit gewandelt?“
Beineke: „Unabhängig davon, dass sich die Spielsysteme und taktischen Voraussetzungen grundlegend geändert haben, gilt es auch elementare Dinge wie Disziplin, Pünktlichkeit und Respekt vor den Mitspielern und Trainern anders zu behandeln. Nur mal ein Beispiel: Kam man zu Oberligazeiten zu spät zum Training, spielte schwach oder hat die älteren Spieler nicht gegrüßt, konnte man sich schon mal derbe etwas anhören. Sagst du heute als Führungsspieler oder Trainer zu viel, bleiben die Spieler zu Hause und wenden sich anderen Dingen zu. Das komplette Angebot an Freizeitmöglichkeiten ist heute wesentlich breiter aufgestellt und auch der Wille der Spieler ist heute nicht mehr bei jedem mit früher zu vergleichen. Für uns gab es neben Schule oder Beruf nur den Fußball.“
Redaktion: „Das 2. Seniorenteam spielt in der Kreisliga und steht im Mittelfeld. Nun gab es einen großen Aderlass. Wie geht es in der Rückrunde weiter? Wird es auch im Jahr 2014 eine 2. Herrenmannschaft geben?“
Beineke: „Wir setzen alles daran, auch in der Rückserie eine zweite Mannschaft zu stellen. Das ist unter dem Aspekt schon wichtig, den Spielern aus der A-Jugend, die noch nicht den Sprung schaffen, eine Möglichkeit zu bieten, weiter in Holzminden Fußball zu spielen.“
Redaktion: „Der Trainer Ali Chaabu hat den Verein in Richtung Stadtoldendorf verlassen. Wo lagen hier die Gründe?“
Beineke: „Das müssten Sie Ali Chaabu selbst fragen. Sicherlich war er mit der Situation und vor allem der Trainingsbeteilung in der zweiten Mannschaft nicht mehr einverstanden und wollte ein Zeichen setzen. Genauere Hintergründe kenne ich aber auch nicht.“
Redaktion: „Das Verhältnis zwischen Herrn Beineke und Herrn Chaabu galt als nicht perfekt. Wie sehen Sie die Situation?“
Beineke: „Das sehe ich etwas anders. Bei Meinungsverschiedenheiten muss es ja schließlich auch zu einem Austausch kommen. Der war aber ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gegeben. Als Trainer einer ersten Mannschaft ist es einer der Hauptaufgaben, die Mannschaft sowohl personell als auch taktisch vernünftig für die sonntäglichen Spiele aufzustellen. Wenn dann personelle Probleme bestehen, müssen eben Spieler aus der Zweiten aushelfen und in dieser Hinsicht fallen dann eben auch schon mal deutlichere Worte. Vielleicht lag es daran.“
Redaktion: „Der Ex-Coach der 2. Mannschaft hat auch einige Spieler mit zu seinem neuen Verein gezogen, was immer ein fader Beigeschmack ist. Wie sehen Sie diese Entwicklung?“
Beineke: „Damit haben wir aber schon gerechnet. Ist aber auch kein Problem. Das muss er mit sich selbst ausmachen. Wenn er morgens immer noch in den Spiegel schauen kann, ist das in Ordnung. Es sind auch mehr quantitative Verluste. Ich für meinen Teil habe mir geschworen, niemals einen Spieler aus meinem alten Verein abzuwerben, wie man aus meiner Brakeler Zeit sehen kann.“
Redaktion: „Dagegen gilt das Verhältnis zwischen Ihnen und Herrn Voß (2. Vorsitzender) als ausgezeichnet. Was zeichnet den Menschen Voß aus?“
Beineke: „Florian Voß und ich liegen komplett auf einer Wellenlänge, was das Zusammenstellen und Führen des Teams betrifft. Unser Verhältnis ist geprägt von gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Ich möchte hier aber auch noch unseren Geschäftsführer Hartmut Hirche und A-Jugend-Coach Torben Reckling nennen. Ich denke, dass wir vier schon in wichtigen sportlichen Dingen eine Sprache sprechen.“
Foto: bf