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Mittwoch, 22. Mai 2013 06:38 Uhr

„Wer diese Bedingungen meistert, ist ein wahrer Athlet“ - Heinz Roloff-Stabhochsprung-Meeting ein Spielball des Wetters „Wer diese Bedingungen meistert, ist ein wahrer Athlet“ - Heinz Roloff-Stabhochsprung-Meeting ein Spielbal

Holzminden (r). Einer der anwesenden Trainer brachte es auf den Punkt: wer unter den herrschenden Witterungsbedingungen so viel Herz und Mut beweist, den Wettkampf aufzunehmen, der ist ein wahrer Athlet und ein Sieger eigener Art: das 23. Heinz Roloff-Stabhochsprung-Meeting litt am Pfingstsamstag unter unsäglichen Wetterumständen, und man musste angesichts mancher halsbrecherischer Flugversuche froh sein, ohne Blessuren davon gekommen zu sein.

Das Wetter war das vorherrschende Thema, und die Gäste des MTV 49 Holzminden, die sonst das Meeting für ein sonnenverwöhntes Picknick im Stadion Liebigstraße genießen, verkrochen sich gleich zu Beginn zum Schutz vor dem Dauerregen unter die bereit stehenden Zelte und Sonnenschirme. „Es wird besser!“ waren unter bangen Blicken zum Himmel eher beschwörende, leider aber unwirksame Formeln. Leichte Besserung gab es aber erst beim Wettkampf der Topathleten am Nachmittag.

Gesprungen wurde übrigens auch – und das angesichts der trostlosen Wetterlage fast sensationell gut, was beweist, dass die meisten Springerinnen und Springer „ganze Kerle“ sind. Für sie kam ein Abbruch der Veranstaltung nie in Frage – eine Unterbrechung, als es zeitweilig wirklich unerträglich wurde, nahmen sie allerdings dankbar an. Damit hatten die MTVer aber bei 145 Teilnehmern und dem damit verbundenen engen Zeitrahmen ein weiteres logistisches Problem, dass die zahlreichen Helfer aber mit Bravour bewältigten. Und so gab es am Ende auch Lob von allen Seiten.

Die angekündigten und erhofften Angriffe auf die Meetingrekorde schienen unter diesen Voraussetzung unmöglich, doch eine Athletin wagte es trotzdem: Die souveräne Siegerin der Frauen, Lokalmatadorin und deutsche Juniorenmeisterin Annika Roloff, versuchte sich nach übersprungenen 4,25 Metern, mit denen sie erneut die Norm für die U23-Europameisterschaften schaffte, an 4,36 Metern, doch diesmal noch vergeblich. Zwei weitere Springerinnen kamen über die vier Meter: die deutsche Jugendmeisterin Anjuli Knäsche (Kiel) als Zweite der Frauen und U18-Weltmeisterin Desiree Singh (Lippe Süd), die den U20-Wettbewerb gewann und mit Tochter Emma zur Siegerehrung erschien, mit jeweils 4,15 Metern. Der 23. „weibliche“ Springer-Cup ging jedoch nach Bremen. Die erst 15-jährige Stina Seidler, die in der Halle ebenfalls schon vier Meter gemeistert hatte, beeindruckte mit 3,95 Metern und ließ damit etliche weitere Vier-Meter-Springerinnen hinter sich – darunter auch die dänische Vertreterin Line Renee Jensen (Randers), die bei 3,75 Metern hängen blieb. Schlimmer noch erwischte es ihren Landsmann und Vorjahrssieger Mikkel Marek Nielsen (Sparta Copenhagen), der wie sein mexikanischer Vereinskamerad Luis Carlos Nevares – beide sonst sichere Fünf-Meter-Athleten – ohne gültige Versuche blieb. Zu welchen Höhen der Däne fähig gewesen wäre, zeigte er mit haushohen aber leider ungültigen Flügen bei seiner Einstiegshöhe von 5,05 Metern. So war denn auch Nationalcoach Ole Kvist mit den Resultaten nicht zufrieden.

Bei den Männern wurde Fünfeinhalb-Meter-Mann Michel Frauen (Leverkusen) als Favorit und Rekordanwärter gehandelt, doch er konnte seine Klasse diesmal nicht zeigen und musste sich überraschend seinem Vereinskameraden Marvin Caspari geschlagen geben, der seinen 5,15-Satz gebührend feierte. In der U20-Klasse lieferten sich Vorjahrs-Cupsieger Robin Pieper (Peine) und der Leverkusener Christian Schiemann ein spannendes Duell bis 4,85 Meter, bei dem der Rheinländer schließlich die Nase vorn hatte. In der Cupwertung wurden sie alle jedoch diesmal ausgestochen vom erst 17-jährigen Tim Jäger (Leverkusen), der in U18 einsam seine Kreise zog, mit 4,85 Metern seine Bestleistung nur knapp verfehlte und einen vollen Meter Vorsprung auf den Zweitplatzierten hatte. So waren am Ende zur Pokalvergabe gleich drei Leverkusener Springer auf dem Siegerpodest. Andere hatten zu diesem Zeitpunkt bereits das heiße Wannenbad der Siegehrung vorgezogen.

Aber auch die Jüngsten schlugen sich tapfer –für sie müssen die 14-jährige Clara Stenner (Angermund) mit 3,05 Metern und die Siegerin der Klasse U12, Verena Braun (Bielefeld) stellvertretend genannt werden. Für den MTV 49 zog sich Carolin Meyer als Dritte der U14 mit 2,15 Metern noch am besten aus der Affäre.

Spitzen und Splitter

- Eine Statistik behauptet, dass einmal von zehn Pfingsten schlechtes Wetter herrscht. Bleibt zu hoffen, dass der Wettermann in den  nächsten beiden Jahren nicht schon 20 Jahre im Voraus arbeitet.

-  Michel Frauen (Leverkusen) hat einen eigenen Fanclub: Zwei Ladies reisen ihm hinterher, um ihn und seine Höhenflüge mit Hingabe, glänzenden Augen und offenen Mündern zu bewundern.

- Hallenrekordmann und Sechs-Meter-Springer Danny Ecker war in Holzminden; der sympathische Leverkusener und Sohn von Olympiasiegerin Heide Ecker-Rosendahl trat nach Beendigung seiner Karriere als Coach auf.

- Eine Springerin äußerste sich unwillig über Wetter und Dauer des Meetings: Nichts draus machen, sagte ihr Trainer: „Sie ist unsere Chefzicke.“

- Der MTV 49 leistete einen Beitrag zum Umweltschutz: Im Dauerregen begannen sich die Startnummern aufzulösen.

- 20 Springer blieben ohne gültigen Versuch; das war ebenso Rekord wie die 24 Absagen von Teilnehmern, die zwar vor Ort waren, im Regen aber lieber nichts riskieren wollten.

- Die ehemalige deutsche Jugendmeisterin Caroline Hasse (Potsdam) hatte eigens ihren USA-Aufenthalt unterbrochen, um in Holzminden dabei zu sein. Springen konnte sie nicht: Ihr steht eine Fußoperation bevor.

- Die Springer sprangen schneller von den Matten auf, als sie nach ihren Flügen gelandet waren – dem Nässeschock auf den Sprungkissen geschuldet.

- 25 Jahre nach dem Gewinn der Bezirksmeisterschaft startete Christine Sander ihre zweite Karriere: Die MTVerin feierte einen erfolgreichen Wiedereinstieg ins Wettkampfgeschehen.

- Die Siegehrung für Tim Jäger wurde etwas hinausgezögert: Der Springer aus Leverkusen war zur Dopingkontrolle ausgelost worden und „konnte“ nicht gleich.

- Politik war vor Ort: Bürgermeister Daul sprach Grußworte, Landtagsabgeordnete Sabine Tippelt war begeistert, Stadtmanager und Jugendherbergsbesitzer Ralf Schwager ist Dauergast, und Verbands-Vizepräsidentin Petra Möhle überwachte die Veranstaltung.

Info

1991 hoben Heinz Roloff und Reiner Springer das Stabhochsprung-Meeting aus der Taufe – im ersten Jahr mit einer Handvoll Athleten aus den eigenen Reihen auf einer Anlage im Stadion Liebigstraße. Erste Cupsiegerin war Hallenweltrekordlerin Tanja Cors; sie gewann ebenso drei Mal wie ihre legitime Nachfolgerin Annika Roloff. Mit wachsender Athletenzahl zog man um auf den Kunststoff-Nebenplatz und sprang auf zwei Matten - später kam noch eine weitere Sprunganlage hinzu. Nach dem Tod von Heinz Roloff wurde das Meeting nach ihm benannt. Die Rekordzahl von 145 Stabis konnte er nicht mehr miterleben; „sein“ Meeting ist seit Jahren international und Experten zu Folge das zahlenmäßig größte Europas.



(Text & Foto: Klaus Roloff)


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