Montag, 25.11.2024
Dienstag, 02. Dezember 2014 09:58 Uhr

Atemlose Stille im Roxy-Kino - Gleichstellungsbeauftragte präsentieren preisgekrönten Film „Festung“ zum Aktionstag „NEIN zu Gewalt an Frauen“ Atemlose Stille im Roxy-Kino - Gleichstellungsbeauftragte präsentieren preisgekrönten Film „Festung“ zum

Holzminden (r). Die 6-jährige Moni freut sich über die Rückkehr des Vaters, glücklich springt sie ihm in die Arme. Er hat gerade eine – seiner Meinung nach erfolgreiche - Therapie hinter sich. Einige Tage später sitzt sie mit ihrer 13-jährigen Schwester Johanna auf dem Bett ihrer Mutter. Sie rührt sich nicht, ist nicht in der Lage aufzustehen, zu sprechen, geschweige denn, sich um die Kinder zu kümmern, sie zum Musikunterricht zu fahren oder etwas Essen zuzubereiten. Johanna verbindet ihre blutende Hand, Moni streicht ihr über das Haar – Mama liegt wie zerbrochen im Bett. Papa hat nach seinem gewalttätigen Übergriff das Haus verlassen.

Es sind eindringliche Bilder, ohne Glanz und Gloria, es könnte auch hier bei uns spielen. Die Einfamilienhäuser ähneln denen in Bodenwerder oder Delligsen, die hügelige Landschaft erinnert an den Solling oder den Vogler, die Gärten sind gepflegt wie in Holzminden oder Boffzen und das Hotel der Oma könnte in Ottenstein oder Stadtoldendorf stehen. Die über 60 Zuschauerinnen und Zuschauer sind so gebannt, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können.

Häusliche Gewalt dargestellt aus Sicht der Kinder: was für ein schwerer Stoff für einen Kino-Film. Und doch ist dieser Film preisgekrönt für das beste Drehbuch und hat den New-Film-Award für die beste Regie erhalten. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Holzminden hatte in Zusammenarbeit mit der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt zu dieser Film-Matinee eingeladen. Unterstützt wurde die Aktion vom Betreiber des Roxy-Kinos Thomas Günther, der in der Pause exklusiv für die Gäste dieses Films Snacks und Getränke reichte.

Auch der WEISSE RING Holzminden unterstützte diese Aktion und informierte über seine ehrenamtliche Arbeit für die Opfer von Straftaten. Der WEISSE RING setzt sich bundesweit für Opfer von Kriminalität ein, deutlich bezieht er Stellung gegen häusliche Gewalt und es ist den Akteuren ein Anliegen, den betroffenen Frauen Wege aus der Ohnmacht und der Gewaltspirale zu zeigen. Das Opfer-Telefon des WEISSEN RING ist unter 116 006 erreichbar.

Anlass der Kino-Matinee war der internationale Aktionstag „Nein zu Gewalt an Frauen“, und die weltweit stattfindenden Aktionen – so Sigrun Brünig bei ihrer Begrüßung – tragen dazu bei, dass über das Thema gesprochen und den Betroffenen Mut gemacht wird, Hilfe und Unterstützung zu suchen.

Ja, auch im Landkreis Holzminden gibt es Familien, in denen statt Schutz und Geborgenheit, Gewalt, Angst und Ohnmacht herrschen, wie Anita Hummel aus ihrer Beratungspraxis zu berichten weiß. Die Zahlen im Landkreis zeigen deutlich, dass häusliche Gewalt zum Alltag vieler Menschen gehört – von April 2002 bis Dezember 2013 wurden alleine in der BISS Holzminden ca. 2300 Opfer beraten, die häusliche Gewalt erlebt haben.

Waren es im Jahr 2003 90 Frauen, die als Opfer von häuslicher Gewalt Hilfe gesucht haben, so ist die Zahl der Opfer im Jahr 2013 auf 323 Frauen angestiegen. Eine besonders traurige Tatsache ist, dass viele Kinder als Ohren- und Augenzeugen mitbetroffen und somit auch Opfer von häuslicher Gewalt sind. Alleine in den letzten Jahren erhielt die BISS Kenntnis von 1040 minderjährigen Kindern, die häusliche Gewalt erlebten oder miterlebt haben.

Hilfe und Unterstützung gibt es neben den örtlichen Unterstützungs- und Beratungsstellen auch beim bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Die kostenlose und anonyme Hotline bietet bundesweit, 24-Stunden, eine niedrigschwellige Erstberatung in 15 Sprachen. Die Telefon-Nummer lautet: 0800 116 016.

In der „Festung“ wurde die Gewalt-Spirale durchbrochen: Obwohl es in der Familie ein Stillschweigegebot gab, hat sich Johanna - nach langer Zeit des Schweigens und Verheimlichens - ihrem Freund anvertraut. Der hat seinen Vater informiert und auch wenn Johanna zurückfällt in ihr Lügenmuster: das Geheimnis hat das Haus verlassen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden im Ungewissen gelassen, wie die Geschichte ausgeht, aus ihrer Beratungspraxis weiß Anita Hummel aber, dass das Sich-Anvertrauen der erste Schritt zu Veränderung ist. So konnten die Gäste der Film-Matinee trotz emotionaler Ergriffenheit doch zuversichtlich in den sonnigen Sonntagnachmittag gehen.

Foto: Landkreis Holzminden

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