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Sonntag, 03. September 2017 11:03 Uhr

„Auf einen Kaffee mit…“ Wilfried Langner aka Deutz-Willi „Auf einen Kaffee mit…“ Wilfried Langner aka Deutz-Willi

Lauenförde (my). Mallorca, das Nordkap in Norwegen oder auf dem Großglockner, dem höchsten Gipfel Österreichs – Wilfried Langner war schon überall. Aber nicht mit dem Auto, dem Fahrrad oder per Flugzeug, sondern mit seinem Trecker. Deutz-Willi, wie er seit Jahren genannt wird, fährt einfach mit 18 km/h quer durch Europa. Wie kommt ein 81-Jähriger auf solche Ideen und warum tut er das? Die Antworten hat unsere freie Autorin Melike Yasaroglu, sie hat Deutz-Willi auf einen Kaffee besucht und einen Mann mit unbändiger Lebenskraft kennengelernt.

Er ist gerade erst aus St. Petersburg zurückkehrt, in drei Monaten hat er rund 6.500 Kilometer zurückgelegt, mit seinem Trecker „Robert“ und Wohnwagen „Schnecke“. „Der Mann ist 81, er wird nach seiner Russland-Tour sicher kaputt sein“, denke ich mir, während ich an der Haustür warte. Aber Wilfried Langner öffnet mir schwungvoll die Tür, begrüßt mich mit festem Händedruck und dirigiert mich in Richtung Küche. Gleich zu Beginn stelle ich die wichtigste Frage: „Herr Langner, Sie haben ein interessantes Hobby. Warum machen Sie das?“

Deutz-Willi zeigt in Richtung Fenster und sagt: „Sehen Sie den Friedhof auf der anderen Straßenseite? Soll ich hier sitzen und Däumchen drehen, bis ich da endlich liege? Also hör mal!“ Er lacht und ich kann nur staunen. Zwar muss ich etwas lauter sprechen und meine Fragen öfter wiederholen, aber fit und gut gelaunt ist dieser Mann allemal. Wenn er von seinen Reisen berichtet, ist er kaum zu bremsen. In Russland hat er zuletzt viel Leid und Armut gesehen; während er davon erzählt, kneift er die Augen zu. Aber auch viel Gastfreundlichkeit erfahren, oft durfte er keinen Cent ausgeben, weil er ständig zum Übernachten und Essen eingeladen wurde. „Egal wo ich auftauche, überall ist Wirbel. Es ist irre. Einfach nur irre“, sagt er und schüttelt dabei ungläubig den Kopf; ein wenig versteckter Stolz ist aber auch in seiner Stimme. Zurecht.

Doch wie ist es, mit 18 km/h auf einem Trecker förmlich durch die Gegend zu tuckern? „Schön. Befreiend. Die anderen ziehen links an mir vorbei und ich denke mir nur ‚Ihr Idioten!‘“, so Deutz-Willi. Außerdem hat das langsame Fahren für ihn durchaus Vorteile: „Ich bekomme wenigstens keine Bildchen von den Bullen“, lacht er. Manchmal wird er aber doch von einem Streifenwagen angehalten. Dann aber nur, weil die Beamten ihn aus dem Fernsehen kennen und ein Selfie mit ihm machen möchten.

Trotz seines hohen Alters reist er immer alleine. Zweimal hat er Ausnahmen gemacht und sie bereut. Die sind zwar Jahre her, dennoch redet er sich in Rage, als er mir ein Erlebnis schildert: Zusammen mit seinem Kumpel Günter fuhr er 2015 zum Nordkap. Günter konnte nur nach Navi fahren. Deutz-Willi hingegen fährt immer nach Karte und hat einfach einen guten Orientierungssinn. „Wir sind drei Tage in Norwegen im Kreis gefahren wegen dem Navi. Und dann hatte Günter, das Arschloch, die falsche Postleitzahl eingegeben“, kommentiert er in seiner derben Art. „Bis zum Nordkap sind wir noch zusammen gefahren, danach waren wir getrennte Leute“, sagt er trocken.

Sein Hobby keimte auf, als er 1995 in Rente ging. Der Baumaschinenmonteur brauchte Beschäftigung, also kaufte er sich einen Trecker, den er drei Jahre lang in mühevoller Kleinarbeit auseinander baute und restaurierte. Auf seine erste Tour startete er 2006, es ging auf die Traktor-WM auf dem Großglockner. Zwei Jahre später tourte er in die Schweiz, 2013 nach Mallorca und weitere zwei Jahre später an das Nordkap. Seine aktuelle Route führte ihn nach St. Petersburg, aber eigentlich wollte Deutz-Willi nach Argentinien. Sein Arzt riet ihm davon ab und schlug ihm vor, sich ein klimatisch verträglicheres Reiseziel zu suchen, also fuhr Deutz-Willi nach Russland.

Kaum ist er zurück in Lauenförde, plant er schon seine nächste große Reise. 2019 wolle er wieder los, kündigt er entschlossen an, „aber ich muss erstmal gucken, was meine Managerin sagt.“ Gemeint ist seine Tochter Sabine, die ihm bei den Vorbereitungen hilft. Sie beantragt zum Beispiel Visa für ihn, während sein Sohn die Routen aussucht und in Karten einzeichnet. Und dann fährt Deutz-Willi einfach los und tuckert durch Europa, ohne auch nur ein Wort Englisch zu können. Doch woher nimmt der 81-Jährige die Kraft dafür? Er antwortet: „Ich muss immer was um die Hände haben. Ich kann mich nicht mit einer Flasche Bier vor den Fernseher setzen. Man muss sich über jeden Tag freuen, an dem man wieder die Augen aufmacht.“

Besondere Menschen, spannende Hobbies und Lebensgeschichten abseits des Mainstreams finden Platz in unserer beliebten Reihe „Auf einen Kaffee mit…“. Die nächste Folge lesen Sie am Sonntag, 17. September 2017.

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