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Donnerstag, 10. Dezember 2015 08:55 Uhr

Die Schatzkisten vom Kloster Amelungsborn: Ein über 1000 Jahre alter Ring führte auf die Spur des verlorenen Schatzes (BP15) Die Schatzkisten vom Kloster Amelungsborn: Ein über 1000 Jahre alter Ring führte auf die Spur des verlorene

Amelungsborn/Holenberg (rus). Es ist eine längst in Vergessenheit geratene Geschichte, die der Hobby-Historiker Raimond Schulze aus Heinade da ausgegraben hat. Schulze setzte sich beispielsweise für Ausgrabungen rund um die Burgruine Homburg ein und ist auch sonst heimatgeschichtlich sehr interessiert. In alten Zeitungsarchiven fand er folgende Hinweise: Zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges hat es einen wahren Jahrhundertfund in Amelungsborn gegeben. Auch heute noch dürfte dieser Fund begeistern, der inzwischen allerdings schon über 50 Jahre zurück liegt.

In einem Gewölbekeller des Klosters Amelungsborn fand man nach dem Krieg zwei Schatzkisten gefüllt mit hochwertigen Ringen, Edelsteinen, Schmuck und vielen weiteren Gegenständen aus Silber und Gold. Der Weg zu dem Lagerort des Schatzes führte durch eine Zauberformel auf einem über 1000 Jahre alten Goldring, der durch einen großen Zufall wieder in die Hand seines rechtmäßigen Besitzers gelangte. Nämlich dass Ostfriesische Landesmuseum in Emden. 1945 waren die zwei dem Museum gehörende Kisten, die bis an den Rand mit Gold und Silberschätzen gefüllt waren, verschwunden.

Merkwürdiger Zufall brachte Licht ins Dunkle
Die eigentliche Annahme, dass alliierte Truppen den Schatz "erbeutet" und verschleppt hätten, konnte 1959 durch einen merkwürdigen Zufall widerlegt werden. Mit zwei Goldringen aus dem 9. und 12. Jahrhundert erschien seinerzeit ein Mann im Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Münster und bot dort die beiden Ringe zum Kauf an. Bei der Begutachtung der schnell als besonders wertvoll erkannten Schmuckstücke entdeckten Experten auf einem der beiden Ringe ein eingeprägtes Kreuz und darin die vier Buchstaben "AGLA". In den Buchstaben erkannte das Museum eine auch auf ostfriesischen Münzen vorkommende Zauberformel, mit deren Deutung man sich schon einmal beschäftigt hatte. Dabei war man schon viel früher auch auf einen damals dem Ostfriesischen Landesmuseum gehörenden Ring mit gleicher Formel gestoßen. Beim Vergleich der Ringe mit vorhandenen Fotos stellte der damalige Experte Dr. Berghaus fest, dass der ihm vorgelegte Ring mit dem Zauberring aus Emden identisch ist. Nun war man, anfangs noch unwis-sentlich, dem eigentlichen Schatz schon ein großes Stück näher gekommen.

Die historischen Ringe weisen den Weg zum einstigen Schatz
Beide Ringe gehörten zu den weit früher schon vom Museum in Emden nach Amelungsborn ausgelagerten Schätzen. Sie waren aber keineswegs Beute eines kriegerischen Raubzuges oder gar durch Diebstahl ins Ausland gelangt, wie man einige Zeit vermutete. Die Geschichte der Ringe und des eigentlichen Schatzes war dabei weit abenteuerlicher, wie Anton Kappelhoff, damaliger Vorsitzender der Emdener Gesellschalt für bildende Kunst und vaterländische Altertümer, herausfand. Die Spuren brachten ihn schließlich in den Landkreis Holzminden, wo er den Weg der wieder aufgetauchten Ringe bis ins Jahr 1945 zurückverfolgen konnte.

Die hochwertigen Ringe wechselten mehrfach den Besitzer
Mit den beiden Ringen bezahlte im Frühjahr 1945 ein aus britischer Kriegsgefangenschaft geflüchteter deutscher Soldat einen Waldarbeiter in Holenberg, um einige zivile Kleidungsstücke zu bekommen, die ihm die weitere Flucht ermöglichen sollten. Die Frau des Waldarbeiters hielt die Schmuckstücke allerdings nicht für besonders wertvoll und gab sie einer anderen Frau im Tauschhandel für einen Topf Sirup. Später verzog die Frau, in deren Besitz sich die Ringe nun befanden, nach Münster und verkaufte sie dort 1952 einem Kunstsammler. Dieser war es schließlich, der sich Jahre später wegen eines eventuellen Verkaufs der Ringe an das Museum in Münster wandte.

Die Schatzkisten im Gewölbekeller des Klosters
Die beiden Schatzkisten wurden schließlich in einem Gewölbe unterhalb der Klosterkirche Amelungsborn gefunden. Sie enthielten Ringe, Edelsteine, ein Diadem aus Gold, Broschen, Ketten, Becher und Pokale aus dem Mittelalter sowie goldenen Filigranschmuck aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die Schmucksammlung war eine der wertvollsten an der Nordseeküste. Der größte Teil des Schmucks wurde im Mittelalter von reichen friesischen Frauen getragen. Das Ostfriesische Landesmuseum hatte den, der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländischer Altertümer gehörenden Schatz, im Krieg in der Klosterkirche untergebracht. Mit seiner Aufsicht wurde ein städtischer Angestellter beauftragt. Amerikanische Soldaten verwehrten nach Beendigung der letzten Kämpfe, bei denen die Klosterkirche stark beschädigt wurde, dem Angestellten den Zutritt zu dem Gewölbe. Später musste der inzwischen längst verstorbene Schatzhüter feststellen, dass beide Kisten verschwunden waren.

Was geschah mit den Inhalten der Schatzkisten?
Kurz bevor nach Kriegsende die Amerikaner erschienen, gaben die Behörden der Bevölkerung ein Lebensmittelager frei, das sich in dem ehemaligen Zisterzienserkloster befand. Meistens Frauen und noch in der Gegend befindliche versprengte Soldaten räumten das Lager aus und kamen dabei auch in das Gewölbe, in dem sich die Schatzkisten befanden. Weil man in den Kisten allerdings ebenfalls Lebensmittel vermutete, wurden sie von unbekannten Personen geöffnet. Was danach geschah, ist ungewiss.

Das Emdener Museum hatte noch 1959 die Bevölkerung zwischen Holzminden und Stadtoldendorf um Rückgabe der Kunstschätze gebeten und wollte dabei sogar auf jegliche Strafverfolgung verzichten. Allerdings sind die Schätze bis heute nicht wieder aufgetaucht und könnten sich daher womöglich noch in der Region befinden. Es wäre dabei aber auch naheliegend, dass die damaligen Finder die Gegenstände untereinander aufteilten und somit den Schatz weit verstreuten. Ob er heute überhaupt noch in seiner ursprünglichen Form existiert, weiß daher niemand.

Dies ist ein Artikel aus unserem Printmagazin Blickpunkt (Ausgabe Nr. 15).

Fotos: Archiv, rus

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