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Freitag, 30. Oktober 2015 17:31 Uhr

Der Landkreis lud ein: Informationen rund um die Notunterkunft für Flüchtlinge in Delligsen - Ein Kommentarbericht Der Landkreis lud ein: Informationen rund um die Notunterkunft für Flüchtlinge in Delligsen - Ein Kommentarb

Delligsen (kp). Bei einer Sache dürften sich alle Kommunen dieser Tage sicher sein: lädt die politische Ebene, in diesem Fall die Landrätin Angela Schürzeberg, zu einer Infoveranstaltung, in der es um die Unterbringung von Flüchtlingen im Ortskern geht, dann kommen sie alle. Der Wirt meinte optimistisch zu planen, als er 400 Stühle aufstellen ließ. Am Ende waren es weit mehr als 400 Leute, die sich ab und an sogar am einzigen Eingang drängeln mussten. Angela Schürzeberg machte den Anfang, indem sie einen allgemeinen Überblick der Situation zu verschaffen suchte, bevor Marie-Luise Niegel, Dezernentin für Jugend und Familie, den tieferen Einblick anhand von Zahlen und Fakten eröffnete. „Mitten unter uns wollen wir sie aufnehmen“, dieses Motto hätte selbstverständlich weiterhin Bestand. Immerhin seien im Landkreis Holzminden schon 800 Flüchtlinge untergebracht. Jede Woche würden weitere 50 Flüchtlinge den Landkreis erreichen, sodass ein enormer Handlungsdruck bestünde. Das Land Niedersachsen sei Mitte Oktober bereits hinsichtlich anhaltender Flüchtlingszahlen kapazitiv ausgeschöpft gewesen. Als dann der Anruf aus Hannover kam, der Landkreis Holzminden müsse 300 weitere Flüchtlinge unterbringen, drängte die Zeit. Innerhalb von 48 Stunden musste die Notunterkunft in Bodenwerder für 200 Flüchtlinge hergerichtet werden.

Die Aufforderung sah vor, eine Woche nach Ankunft der letzten 100 Flüchtlinge in Bodenwerder 100 weitere unterzubringen. Bis voraussichtlich Ende November müsse sich der Landkreis auf eine Notunterbringung von 300 Flüchtlingen einstellen, die allesamt dem Lager Friedland unterstellt seien, welches restlos überfüllt ist.

Die Notunterbringung in Bodenwerder sei wegen der Dringlichkeit gewählt worden, da „man somit wusste, dass mindestens 200 Menschen für wenigstens zwei Wochen eine Unterkunft hatten“, wie die Landrätin versicherte, obgleich seit jeher klar war, dass die Kapazitäten in Bodenwerder langfristig, und schon gar nicht für 300 Menschen, gegeben waren.

Es musste eine alternative Notunterkunft für maximal 350 Flüchtlinge gefunden werden, auch wenn sich viele der in Bodenwerder angekommenen Flüchtlinge bereits auf der Weiterreise befanden.

Zwar hätten beide Orte, Bodenwerder und Delligsen, ungefähr gleichgroße Turnhallen, jedoch sei das umliegende Gelände in Delligsen von großer Bedeutung. Ein Gelände, welches inklusive Sportplatz für weitaus bessere Optionen zu gebrauchen sei. So könnten bei Bedarf beheizte Zelte als weitere Unterbringung aufgestellt werden.

Es ist nicht nötig Landrat zu sein, um sich vorstellen zu können, dass es dankenswertere Aufgaben gibt, als Anwohnern einer 7000 Einwohner-Stadt erklären zu müssen, dass sie womöglich langfristig auf Sportgelände und Turnhallen verzichten müssen, um 350 Flüchtlinge, in der Hoffnung, dass es bei dieser Obergrenze bleibt, unterzubringen: „Auf dem Weg nach Delligsen sind mir die kritischen Stimmen nicht verborgen geblieben. Dass der Landkreis es sich einfach machen und ihnen die Flüchtlinge nur zuschieben würde“, gestand Angela Schürzeberg. „Die Notunterkunft fordert uns alle heraus. Umso mehr ist das Land und der Bund auf ihre Unterstützung und ihr Engagement angewiesen!“

Es sind Sätze, die nicht etwa der schlechten Stimmung im Saal geschuldet waren. Die Stimmung unter den Besuchern war überwiegend optimistisch. Vielmehr scheinen es Sätze zu sein, die womöglich einen Hauch Ohnmacht hinsichtlich der Ungewissheit der nächsten Monate und der Einschränkung des politischen Handelns widerspiegeln. Niemand in Holzminden weiß, wann womöglich der nächste Anruf aus Hannover ertönt und wie die Forderungen dann aussehen werden. Und auch die Landesregierung ist nur eine weitere Station in der Kette. Was wird das neue Asylgesetz bringen? Welche Alternativen existieren noch, um die wöchentlich eintreffenden Hilfesuchenden im Landkreis vor der Obdachlosigkeit zu schützen? All das sind Fragen, die nicht nur viele Bürger beschäftigen, sondern auch deren Volksvertreter.

Schließlich wurde es Zeit, um auf die Fragen der Bürger einzugehen. Das Prinzip ist das gleiche wie schon während des ersten Infoabends im Juni dieses Jahres in Eschershausen. Fragen konnten auf einen Zettel geschrieben und bei Mitarbeitern des Landkreises abgegeben werden. Diese wurden anschließend nach Themengebieten sortiert und in einem Rutsch vorgelesen.

Viel Neues kam dabei nicht rum. Es wurde festgestellt, dass sowohl der Delligser Vereinssport sowie der Schulsport durch Nutzung der Alfelder, Kaierder und Duinger Sporthallen gerettet werden konnte. Außerdem wird Delligsen vorerst nicht über Hotspot verfügen. Alle weiteren Fragen bezogen sich stets auf die Themengebiete Spende, Sicherheit und die Beschäftigung der Flüchtlinge.

Für Spenden sollte Kontakt zu Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! hergestellt werden. Die Security stellt die Firma Trudwig aus Hameln, die bereits mit der Betreuung von über 1000 Flüchtlingen in Hameln und der Linsingen-Kaserne beauftragt worden sind.

Bei Bedarf soll die Polizeipräsenz verstärkt werden. Für die Beschäftigung der jungen Männer, Familien und Kinder soll selbstverständlich auch langfristig gesorgt werden.

Am Ende der Fragestunde darf durchaus sinniert werden, für welche Zielgruppe ein solcher Informationsabend am sinnvollsten sein könnte und sollte. Da gibt es zum einen die Unbelehrbaren, die auf ihren Fragekärtchen nicht etwa Fragen, sondern Forderungen formulieren, wie „ baut den Grenzschutz um das Sportgelände höher“, um möglichst alles bestens abzuriegeln, wenn es schon mal da ist.

Zum anderen wird es auch immer Leute geben, die es nicht abwarten können, eine Art Ablasshandel mit ihrem eigenen Gewissen zu betreiben und sich bei der erstbesten Gelegenheit um Spendennummern, Kontaktpersonen für Kleiderspenden und Mikrofone zu reißen, um etwa alle anwesenden im Saal zu mobilisieren, „ den Leerstand in Delligsen gemeinschaftlich zu renovieren und für Flüchtlinge herzurichten!“

Dazwischen gibt es sicherlich noch viele weitere Menschen, die mit viel Aufopferung und Hilfsbereitschaft einen unschätzbaren Wert für die Ausnahmezustände dieser Tage beitragen. Allen voran sei Dirk Schinke vom DRK zu nennen, ohne dessen Tatkraft  vieles von dem, was in den letzten Tagen vollbracht wurde, nicht hätte umgesetzt werden können.

Dann gibt es aber auch solche Besucher, die  sich einer absolut legitimen Unsicherheit, vielleicht auch Angst ausgesetzt fühlen. Besucher, die den Mut hatten, sich auf den Weg in den Festsaal zu machen. Besucher, die sich neben all der Willkommenseuphorie ihrer Sitznachbarn einen Platz aussuchten. Besucher, die anschließend einen von vielen gelben Zetteln in die Hand nahmen, um eine vielleicht nicht immer geschickt formulierte Frage aufzuschreiben, um sich im Idealfall ihren Ängsten vor vermeintlichen Veränderungen zu stellen. Um eventuell beruhigende Antworten zu bekommen, damit auch bei diesen Leuten vielleicht irgendwann ein „Wir schaffen das!“ anzukommen versucht.

Umso kritischer wirkt es, wenn eben diese als Fragen formulierten Ängste mit schmähendem Lachen mundtot gemacht werden. Im Festsaal Delligsen gab es solche Situationen. Bei aller Freude über die große Hilfsbereitschaft, hilfesuchende Flüchtlinge innerhalb der Gemeinschaft aufzufangen: Die Erweiterung dieser Hilfsbereitschaft sollte nun sein, alle Menschen aufzufangen, die sich Ängsten ausgesetzt und von eben dieser Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen.

Fotos: kp

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