Seit wann sind denn Eltern objektiv? - „Frau Müller muss weg“ oder doch nicht? – Euro-Studio Landgraf gastiert in der Stadthalle Holzminden
- Details
- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Donnerstag, 19. Februar 2015 13:09
„Dieses Stück ist in gleich dreifacher Form etwas Besonderes. Zum einen lassen die Namen der Darsteller bereits die Qualität erahnen. Zum zweiten läuft das Stück gerade zeitgleich als Kinofilm und zum dritten ist der Inhalt brandaktuell“, sagte Karlheinz Klammt, Vorsitzender des Kulturvereins Holzminden, in seiner Vorrede.
In „Frau Müller muss weg“ nimmt der Elternabend für die Klassenlehrerin der 4b, Sabine Müller (Claudia Rieschel) eine überraschende Wendung: Mit einem Misstrauensvotum entzieht ihr die gesamte Elternschaft das Vertrauen. „Diese Frau kriegt hier nur mitgeteilt, dass wir sie als Lehrerin für unsere Kinder nicht mehr wünschen“, sagt etwa Verwaltungsbeamtin und Mutter der zickigen Laura, Jessica Höfel (Gerrit Kling). Der arbeitslose Vater der zehnjährigen Janine, Wolf Heider (Wolfgang Seidenberg) meint, „nüchtern betrachtet sägen wir die viel zu spät ab“. Der fassungslosen Frau Müller wird mitgeteilt, dass man als Eltern zu aller erst an das Wohl und Fortkommen des eigenen Kindes denke und sie die ganze Angelegenheit doch „bloß nicht persönlich nehmen soll“. Das pädagogische Konzept der leidenschaftlichen Grundschullehrerin wird von den aufgebrachten Eltern, die nur die Versetzung ihres Kindes auf ein Gymnasium im Kopf haben, rigoros in Frage gestellt. Auch mit den typischen Vorurteilen gegenüber Lehrern hat Frau Müller zu kämpfen. Sätze wie, „Freizeit, davon haben Lehrer ja genug“ oder „Burn-Out ist sehr häufig bei Lehrern“, muss sich die Pädagogin anhören.
Mit dem Satz, „so weit sind wir noch nicht, das Eltern einen Lehrer einfach so abwählen können“, verlässt Frau Müller schließlich, wohlbemerkt ohne ihre Handtasche, den Elternabend. Darin befindet sich jedoch die Notenliste der 4b, der die Eltern entnehmen können, dass es um ihre Kinder doch nicht so schlecht steht wie befürchtet. Plötzlich heißt es „Frau Müller muss bleiben“, denn „solche Noten kriegen die Kinder doch von keinem anderen Lehrer“. Die Elternschaft vollzieht also einen Strategiewechsel, ohne zu wissen, dass es sich bei der Notenliste um die Zensuren vom letzten Schulhalbjahr gehandelt hat.
„Frau Müller muss weg“ greift eine brandaktuelle Thematik auf, die sich wohl in jedem Klassenzimmer schon einmal, vielleicht in abgeschwächter Form, abgespielt hat. Die Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder und das bedeutet in der Grundschule zuerst einmal, den Weg zum Gymnasium zu ebnen. Dass für etwaiges Scheitern oder andere Probleme sofort der Institution Schule die Schuld gegeben wird, zeigt sich vor allem im Verhalten von Marina Jeskow (Katrin Filzen), die ihren Sohn Lukas bis ins Unendliche idealisiert und dabei nicht wahrhaben will, dass Lukas andere Schüler schlägt und den Unterricht stört. Nach und nach kommen jedoch die Probleme zwischen Eltern und Kindern zum Vorschein, die eigentlich ursächlich für das Drama sind: Janine wird von ihrem Vater mit permanenter Freizeitbeschäftigung terrorisiert, Fritz ist zwar gut in der Schule, lässt seine Mutter Katja aber nicht mehr an sich heran und Lauras Zickereien nerven die ganze Familie. Plötzlich halten dann auch die privaten Probleme der Eltern Einzug ins Klassenzimmer der 4b. Fritz Mutter Katja und Janines Vater Wolf diskutieren über das Ende ihrer Affäre, Lukas Eltern Marina und Patrick tragen lautstark eine Ehekrise aus und Lauras Mutter Jessica realisiert, dass ihr Mann Hape „der totale Waschlappen“ ist.
Überzeugend stellen die sechs Schauspieler das Klassenzimmer-Drama dar. Unter der Regie von Kay Neumann ist es gelungen diese aktuelle Thematik authentisch zu vermitteln. Claudia Rieschel durchlebt als Lehrerin Sabine Müller ein regelrechtes Wechselbad der Gefühle, dass sie gekonnt rüberzubringen weiß. Gerit Kling taucht überzeugend ein in die Rolle der karriereorientierten Mutter, die mit nicht immer fairen Mitteln versucht, das Beste für ihr Töchterchen herauszuholen. Iris Boss, verkörpert die alleinerziehende Mutter Katja Grabowski, die zu keiner der vorschnellen Aktionen der Elternschaft eine deutliche Meinung hat. Wolf Heider hingegen, der aufbrausende Vater von Janine, zeigt im Verlauf des Stückes zwei Gesichter. Lukas Eltern, die von Katrin Filzen und Thomas Martin gespielt werden, verstehen die Welt nicht mehr, als man ihnen mitteilt, dass ihr Sohn doch nicht der Engel ist, für den sie ihn halten.
Dem Euro Studio Landgraf ist es gelungen, ein Stück zu inszenieren indem sich sowohl Eltern als auch Lehrer wiederfinden können. Ein anstrengender und nervenaufreibender Elternabend ist es für beide Seiten und am Ende ist klar. „Seit wann sind denn Eltern objektiv? Was ist denn das für ein Bockmist?“
Fotos: cao