Ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen findet einen Job in der Verwaltung - Gerhard Handermann aus der Kreisverwaltung Höxter und Sozialrechtsanwalt Christian Au bringen Studierenden der Sozialen Arbeit an der HAWK in Holzminden die Praxis nah
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Mittwoch, 06. August 2014 10:01
Handermann zum Beispiel räumt gründlich mit
dem Vorurteil auf, in einer Verwaltung gehe es trocken und ausschließlich in
eingefahrenen Bahnen zu: „Die Verwaltung ist ein lebendes System, man kann
mitdenken, mitgestalten, sich einbringen“, schwärmt er. Eine Verwaltung sei
weit mehr als der Ort für die Ausstellung eines Personalausweises.
2011 hat er das erste Mal als Dozent einen Seminarraum der HAWK betreten: „Ich
war neugierig und wollte wissen, was sich eigentlich an der Hochschule tut, was
ich von Absolventinnen und Absolventen erwarten kann und was nicht“, erzählt
er von seiner Motivation, in seiner Freizeit maßgebliche Einblicke in den
Verwaltungsapparat zu geben. „Wenn man schon lange in einem System verhaftet
ist, ist es spannend, von anderen Blickwinkeln zu hören“, so Handermann, der
seine Lehrtätigkeit durch den Umgang mit Studierenden als Bereicherung seines
Berufsalltags sieht. Außerdem könne er so die Personalentwicklung direkt vor
seiner Haustür positiv beeinflussen. Immer wieder würden sich Studierende bei
ihm um ein Anerkennungspraktikum oder weitere Einblicke vor Ort in Höxter
bewerben.
In seinen Seminaren behandelt Handermann neben grundsätzlichen Informationen zum
Beispiel über die Strukturen einer Verwaltung und über den gesetzlichen Auftrag
nach dem Sozialgesetzbuch 8 (Kinder- und Jugendhilfe) vor allem viele Beispiele
aus der Praxis.Auch dem Thema Verwaltung an sich nähert sich Handermann gerne
über die Tagespresse. Mit der Frage, welche Artikel mit Verwaltungsarbeit zu tun
haben, weckt er das erste Interesse der Studierenden, sich genauer mit der
Behörde und deren Aufgabenstellungen auseinander zu setzen.
„Es gab in Höxter im vergangenen Jahr 52 kurzfristige Herausnahmen von Kindern
aus den Herkunftsfamilien“, leitet er einen weiteren Themenschwerpunkt ein.
Dann geht er genauer auf die Arbeitsabläufe bei Kindeswohlgefährdung und
angeordneter Inobhutnahme ein. Neue Mitarbeiter/innen in diesem Bereich hätten
immer eine angemessene Einarbeitungszeit. In dieser Zeit bekämen sie von einem
Mentor Handlungsanleitungen und Handwerkszeug. „Wenn ein/e
Fallverantwortliche/r fachlich und rechtlich sauber arbeitet, hat er/sie bei
einer Klage nichts zu befürchten“, sagt Handermann denjenigen, die Sorge vor
der Verantwortung in einem solchen Job haben.
Personalführung, Steuerung und Controlling, aber auch Datenschutz sind
Themenfelder, die an praktischen Beispielen unter aktiver Einbeziehung der
Studierenden behandelt werden.
„In unserem Bereich kommen wir um die Verwaltung gar nicht herum“, sagt
Studentin Araththy Logeswaran. „Wenn wir Klienten oder Klientinnen betreuen,
müssen wir die gesetzlichen Rahmenbedingungen kennen“, sagt die 22-Jährige.
Im Rahmen des Seminars erstellen die Studierenden auch Hausarbeiten. Die Themen
legen sie gemeinsam mit dem Dozenten fest. HAWK-Studentin Helena Günther (21)
beispielsweise interessiert sich für „etwas aus dem Bereich Datenschutz“.
„Datenschutz im Allgemeinen Sozialen Dienst“, präzisiert Handermann das
Thema für die zehnseitige Hausarbeit der Studentin. „Ein wirklich spannendes
Thema“, sagt der 54-Jährige und verspricht bei der Literaturauswahl zur Seite
zu stehen.
„Der Arbeitsbereich Verwaltung ist ein interessanter und sich ständig
verändernder Bereich: Gesetze werden angepasst, fachliche Leitlinien verbessert,
der Umgang mit öffentlichen Haushaltsgeldern wandelt sich: Was für junge
Menschen von außen betrachtet vielleicht ein weniger spannendes Image hat, ist
von innen gesehen auch ein Arbeitsfeld mit großen Gestaltungsbereichen für
Soziale Arbeit“, beschreibt Dekanin Engel und freut sich darüber, dass sie
aktive Praktiker zu ihrem Lehrpersonal zählen kann.
So zum Beispiel auch Christian Au, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht:
„Bei einem Vortrag über Hilfsmittelrecht sprach mich Professorin Engel an und
bat mich, ab dem Sommersemester 2011 einen Lehrauftrag an der HAWK anzunehmen“,
erinnert er sich an den ersten Kontakt mit der Hochschule. „Die
Rechtsstudiengänge sind immer recht trocken, der Studiengang Soziale Arbeit in
Holzminden hingegen sehr lebendig und dem Leben zugewandt“, beschreibt der
Buxtehuder, der sich immer wieder darauf freut, mit den Studierenden über
Praxisfälle und Rechtsprechungen aus seiner täglichen Arbeit zu diskutieren.
„Meine Vorträge dauerten bisher höchstens zwei Stunden. Blockseminare von 26
Stunden mit Inhalten zu füllen empfand ich als spannende Herausforderung“,
erzählt er von seiner persönlichen Motivation. „Die Studierenden erhalten bei
mir einen generellen Überblick über die Rechte ihrer Klienten und Klientinnen,
die zuständigen Instanzen und Widerspruchsmöglichkeiten.“ Sein Wissen
schöpft er unter anderem aus seiner fünfjährigen Mitarbeit bei einer
gesetzlichen Krankenversicherung. Dort betreute er vorrangig Widerspruchs- und
Gerichtsverfahren im Bereich der häuslichen Krankenpflege und der
Pflegeversicherung. Außerdem spezialisierte er sich auf die Belange von
Behinderten.
„Einige Themen im Sozialrecht sind Spezialthemen, die immer wieder in aktuellen
Gerichtsverfahren entschieden werden: So beispielsweise das Recht auf
Rehabilitation und Pflegeversicherungsrecht und die Hilfsmittelversorgung für
Menschen mit Behinderung. An dieser Stelle ist es für die Studierenden überaus
wichtig, die aktuellen Diskussionen und Urteile zu kennen, um gut beraten zu
können“, fasst Dekanin Engel zusammen. Deshalb sei die Fakultät Management,
Soziale Arbeit, Bauen auch in ihrem Bereich Soziale Arbeit sehr stolz darauf,
dass sie den Studierenden mit den Einblicken in die aktuelle Berufswelt weit mehr
als die klassische Lehre bieten könne.
Foto: HAWK