„Am Silvesterabend des Reformationsjubiläumsjahres“: Landesbischof Ralf Meister pflanzt erste Luther-Eiche im Kloster Amelungsborn
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Montag, 31. Oktober 2016 18:49
Die Idee lässt sich auf Andreas Kretschmer, Kirchenvorsteher und Revierförster in Polle, zurückführen. 2007 bemerkte er die ganz besondere Erscheinung einer im Jahr 1883 gepflanzten Luther-Eiche vor der Kirche in Polle. Sie wurde damals dort zum Gedenken an den 400. Geburtstag des Reformators gepflanzt.
„Dies ist ein gewaltiger Baum, der trägt Früchte“, soll Kretschmer anschließend dem Superintendenten mittgeteilt haben. Früchte trug auch seine dahinter verborgene Idee, die Samen für die zum anbrechenden 500. Reformationsjubiläumsjahr zu pflanzenden Bäume aus eben dieser in Polle stehenden Luther-Eiche zu ziehen. 500 Eicheln hatte er im Herbst desselben Jahres aufgesammelt. Der Kirchenkreis engagierte daraufhin eine Baumschule in Schleswig-Holstein, mit deren Hilfe 300 Jubiläumseichen erwachsen konnten. Mehr als 200 Luther-Eichen sollen nun im gesamten Gebiet der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover gepflanzt werden.
Den Auftakt lieferte nun der Landesbischof Ralf Meister „am Silvesterabend des Reformationsjubiläumsjahres“, wie Eckhard Gorka den Tag vor dem 31. Oktober 2016 bezeichnete.
Wie ist die Eichen-Symbolik zu verstehen?
Rückblickend auf Luthers überlieferte Aussagen, mag vielen jener oft zitierte Satz in den Sinn kommen: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Auch der Apfelbaum mag in Bezug auf Luther und hinsichtlich seines Gottvertrauens eine starke Metaphorik bieten. Dennoch ist es die Eiche, die in einem (in)direkten Zusammenhang mit der beginnenden Reformation und den für Luther eintretenden Auswirkungen nach der Anbringung der 95 Thesen zu tun hat.
Eine durch Papst Leo X. verschickte Bannandrohungsbulle forderte Martin Luther dazu auf, die 95 Thesen zurückzunehmen, um nicht aus der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Luther weigerte sich und verbrannte die päpstliche Bulle am 10. Dezember in Wittenberg in unmittelbarer Nähe einer Eiche. Eichen sind nicht zuletzt im Verhältnis zu Apfelbäumen aufgrund ihrer Lebensdauer prädestiniert, um nachhaltig an das 500. Reformationsjubiläum zu erinnern.
Nun, am 31. Oktober 2016, jährt sich der Tag, an dem Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg schlug, zum 499. Mal. Mit Anbruch dieses Tages wird auch das 500-jährige Jubiläum eingeleitet, auf welches mit vielen künftigen Veranstaltungen in den Gemeinden Holzminden-Bodenwerder hingewiesen werden wird.
Welche Bedeutung hat Luther heutzutage eigentlich noch? Lohnt sich der Aufwand?
Im Anschluss an die Eichenpflanzung erfolgte der Jahresempfang des Kirchenkreises Holzminden-Bodenwerder in der Klosterkirche. Festredner war Landesbischof Ralf Meister. Nach fünfeinhalb Jahren war dies sein erster Besuch in Amelungsborn, wie er zugab. Nun sollte er versuchen, einen, aus theologischer Sicht, gegenwärtigen Einblick in das Martin-Luther-Verständnis zu gewähren.
„Die Feuilletons quillen über – Luther erwischt jeden“, beginnt der Landesbischof. Doch auch er stellt in den Raum, ob sich dieser große Aufwand lohnen würde. Eine immer stärker reduzierte und entleerte Kirche sowie das scheinbar große Marketinggeschäft mit einer historischen Figur wie Luther beherbergten Zweifel. Inwieweit wäre Luthers Wirken und Schaffen auf unsere heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse umzumünzen? „Der Spiegel“ bezeichnete Luther jüngst als den ersten Wutbürger. „Die Zeit“ fragt insgesamt 95 Kirchenvertreter, Autoren, Redakteure und Politiker: „Was ist heute christlich?“
Seit dem 16. Jahrhundert gibt es eine strittige Auseinandersetzung mit Luther, so Ralf Meister. Ob lutherische Orthodoxie, der Widerstand gegen die Obrigkeit oder zur Zeit des Nationalsozialismus – der Streit durchzog sich auf vielen Ebenen und über weite Strecken. Doch wie viel Anfechtung und Streitpotential gibt es heute noch? Immerhin ist für das Jubiläumsjahr ein „Reformations-Show-Truck“ angedacht, der 18 Länder und 67 verschiedene Plätze in Europa miteinander verbinden soll.
Die evangelische Kirche müsse zumindest die Erinnerung an 1517 und den Inhalt der Reformation vermitteln, die damaligen Zeiten gegenwärtig machen und auch kritisch hinterfragen, sagt Meister. „Das 15. Und 16. Jahrhundert waren Jahrhunderte der Angst“, erklärt der Landesbischof. Die Apokalypse sei allgegenwärtig gewesen. Ablässe, Almosen und Gebete waren Mittel, um der „Höllenfahrt“ zu entkommen: „Die größte Sorge war die geistliche Dimension des Todes!“ Martin Luther hingegen forderte der Angst vor Gott mit Tapferkeit zu begegnen. Er sah die gesellschaftliche Ordnung in Gefahr, die es braucht, wenn die Apokalypse eintritt, so Meister.
„Wie ungleich weit weg wir doch heute von einer solchen Welt sind“, sagt er, „die Apokalypse spielt heute keine Rolle mehr“.
Auch die zweite von Ralf Meister angesprochene Anfechtung sei kaum in heutige Verhältnisse zu setzen. Zwar sei das von Martin Luther angefochtene schlechte Gewissen auch heute noch allgegenwärtig, so war seine Lösung zur Freiheit doch stets eine an Gott gebundene.
Dies seien Betrachtungen, „sehr nah an einigen wenigen Facetten des Lebens Martin Luthers, an seinen Anfechtungen und seinem Glauben“, erklärt er. Eine Falle, in die auch die protestantischen Reformationslobbyisten tappen würden.
Luther gilt es, nicht als Person aus seiner Zeit herauszureißen, so scheint es bei den Ausführungen des Landesbischofs. Zu anders ist die Zeit, fast genau 500 Jahre nach Anbringung der 95 Thesen. Dennoch scheint es eine tiefe Verbundenheit zur Person, vielleicht auch zum „ersten Wutbürger“ Martin Luther zu geben. Landesbischof Ralf Meister lässt seinen Vortrag mit einem Zitat von Martin Niemöller enden. Niemöller war Wortführer der kirchlichen Opposition und sprach 1933 zum 450. Geburtstag Luthers in der Dahlemer Kirche in Berlin: „So entspricht auch das Lutherbild des Jahres 1933, das Luther als Kämpfer darstellt, durchaus der heutigen Situation. Wir wollen gar nicht den Luther von gestern und vorgestern (…) es berührt uns kaum, was er dachte und lehrt – Luther wird uns Symbol, Vorbild und Urbild des religiös-christlichen Helden. (…) Es hat gar keinen Sinn, (…) wenn wir bei dem Bilde Luthers hängenbleiben und nicht auf den schauen, an den Luther uns weist.“
Die theologische Auslegung scheint zumindest klar: Über die Bekennung zu Luther kann und soll die Bekennung zu Christus erfolgen. Allen anderen sei gesagt: Freut euch! Der Reformationstag am 31. Oktober 2017 wurde bundesweit zum gesetzlichen Feiertag erklärt.