Kindheit im Nationalsozialismus – Zeitzeugen berichten
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- Kategorie: Region Aktiv
- Veröffentlicht: Sonntag, 03. Juli 2016 11:19
Dassel (r). So langsam werden sie rar: diejenigen, die das Dritte Reich als Kinder erlebt haben und die etwas von der Zeit vor dem Krieg erzählen können.
Als Zeitzeugen waren Annemarie Mönkemeier aus Schorndorf, Heinrich Heise aus der Gemeinde Gleichen und Heinrich Lauter aus Holzminden in die Paul-Gerhardt-Schule eingeladen, um Schülerinnen und Schülern aus dem fünften und elften Jahrgang zu berichten, was sie als Kinder erlebt haben.
So unterschiedlich die Lebenslagen waren, es zeigte sich eines ganz besonders: die meisten Kinder fühlten sich im Jungvolk, der Hitlerjugend oder dem Bund deutscher Mädel meist wohl, solange sie nicht grundlos oder wegen Kleinigkeiten angeschrien oder bestraft wurden. Sie waren ein bisschen stolz, zu einer Gruppe dazuzugehören, eine Uniform zu tragen, Lieder zu lernen und sich sportlich beweisen zu können. Sofern sie Eltern oder Lehrer hatten, die der NSdAP misstrauten oder sie auch offen ablehnten, war die Bindung zu den NS-Jugendorganisationen ambivalent.
Im ländlichen Raum gestaltete sich die Freizeit der Kinder oftmals freier, weil die Kinder auch ohne staatliche Organisation und unabhängig von parteipolitischer Zugehörigkeit zusammenspielten und die Dorfgemeinschaft genügend Halt bot. Der NS-Ideologie wurde auch nicht generell blind gefolgt. In einem Fall wurde davon berichtet, dass ein Dorfschullehrer häufig extra viel Hausaufgaben aufgab, damit die Kinder einen guten Grund hatten, an Veranstaltungen der Hitlerjugend nicht teilnehmen zu müssen. Ein anderes Beispiel zeigt, dass Rassenwahn und Menschverachtung nicht überall herrschte: Zwangsarbeiter, die in Landwirtschaft halfen, konnten am Tisch eines Bauern Platz nehmen und bekamen ausreichend zu essen, obwohl von Kreisbauernführern die Anweisung kam, sie als „Untermenschen“ zu behandeln, ihnen wenig und schlechtes Essen zu geben und sie nicht in die gute Stube zu lassen.
Die autoritäre Erziehung in Schule und Elternhaus, die mit harten, vor allem körperlichen Strafen schnell bei der Hand war, erlebten die Zeitzeugen als etwas Normales, wenn auch nicht Angenehmes. Entsprechend stark wird das Freiheitsgefühl nach Ende des Dritten Reiches erinnert. Für die zuhörenden Schüler ein wichtiger Impuls, Freiheitsrechte nicht als selbstverständlich gegeben zu betrachten.
Das Deutsche Theater Göttingen nutzt im Rahmen der Kooperation mit der Paul-Gerhard-Schule Dassel die Zeitzeugen-Interviews für die Entwicklung eines Theaterstückes, das im kommenden Schuljahr mit der Klasse 6 c unter LeitungÂÂÂÂ von Gernot Grünewald erarbeitet wird. Die Premiere von „Kindheit in der NS-Zeit“ wird am 11. Februar 2017 im Deutschen Theater Göttingen sein.
Foto: PGS